samedi 28 décembre 2013

An der Krippe



In Familien – so sagt man – wird das ganze Jahr hindurch nie so laut und so heftig gestritten wie am Heiligen Abend. Zum Teil glaube ich das. Gerade wenn wir es ganz besonders gut machen und ganz besonders nett sein wollen, gelingt es uns am wenigsten.
Die Gestalten an der Krippe – so meinen wir wenigstens – helfen uns kaum über unser Malaise hinweg. Das Christkind, Maria und Josef: sie sind einfach eine Schuhnummer zu gross für uns; und mit so grossen Gestalten messen wollen wir uns lieber nicht. Auch diejenigen, die von aussen hinzukommen, taugen kaum als Vorbilder: die Engel, die Hirten, später dann die heiligen drei Könige in ihrer Feierlichkeit. In unserer Hilflosigkeit fragen wir uns: Gibt es denn niemand, der uns an der Krippe vertritt? niemand, mit dem wir uns identifizieren können? niemand, der in einer ähnlich störrischen Haltung ist wie wir?
Doch, es gibt sie, unsere Vertreter an der Krippe. In der biblischen Weihnachtsgeschichte werden sie war nicht erwähnt, aber sie fehlen bei keiner Krippe und bei keinem Krippenspiel: der Ochs und der Esel. Ich denke mir: Wenn die beiden da sind, hab auch ich noch Platz. Neben ihnen komme ich mir weniger verloren vor als neben den Engeln und neben Josef und Maria. Beim Ochsen und beim Esel falle ich auch nicht so auf. Da kann ich wie sie schweigen und glotzen, und niemand erwartet von mir, dass ich gescheite und fromme Dinge daher sage. Ich brauche nur da zu sein; mehr braucht es nicht.
Wie Ochs und Esel zur Krippe gefunden haben? Als vor vielen hundert Jahren eifrige Christinnen und Christen die Weihnachtsbotschaft hörten, erinnerten sie sich bei der Erwähnung der Krippe an den Propheten Jesaja. Er eröffnet seine prophetische Botschaft mit dem Bild der Krippe.
Himmel und Erde sollen hören, was Gott sagt:
»Ich habe Kinder aufgezogen; und jetzt, wo sie erwachsen sind, wollen sie nichts mehr von mir wissen.
Jeder Ochs kennt seinen Besitzer und jeder Esel die Futterkrippe seines Herrn;
mein Volk aber nimmt keine Vernunft an.« (Jesaja 1,2-3)

So deutlich und natürlich kann nur ein Prophet sprechen – oder der liebe Gott. Und ich nehme mir das so zu Herzen: Ich bin es, der noch dümmer ist als der Ochs und der Esel, noch störrischer, noch glotzender, noch blöder. Ich bin es, der trotz meines Erwachsenseins keine Vernunft annehmen will. Ich bin es, der nicht begreifen will, zu wem ich eigentlich gehöre.
Wenn ich bei einer Krippe den Ochs und den Esel stehen sehe, ist das für mich eine Gute Nachricht: wenn der Ochs und der Esel zur Krippe zurück finden, dann sollte das doch auch mir möglich sein. Ich brauche kein Engel zu sein, kein Hirte, kein heiliger Joseph und auch kein Weiser. Ich bin zwar immer noch glotzend und blöd und angeschlagen, aber ich bin da; und ich kann es mir wieder mal sagen lassen, zu wem ich gehöre. Und als Weihnachtsbotschaft höre ich das Kind ungefähr dieses sagen:
Du bist zwar ein störrischer Esel und ein dummer Ochse. Aber im Grunde genommen gehörst du eben doch zu mir. Und ich, ich will trotz allem dein, ja euer aller Gott sein und euch dazu bestimmen, Frieden und Gerechtigkeit und Freude der ganzen Welt sichtbar zu machen.
Hermann-Josef Venetz

samedi 21 décembre 2013

Auf Zeichen achten


 maximino cerezo barredo 

Die Hirten halten Nachtwache auf offenem Felde. Der Bote des Ewigen tritt zu ihnen und der Lichtglanz Gottes umstrahlt sie (vgl. Lukas 2,1-20). Der Bote verkündet eine grosse Freude: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren, der Messias und Herr
 
Was sollen Hirten, in der damaligen Zeit nicht besonders vertrauenswürdige Gestalten, mit einer solchen Botschaft anfangen? Der Bote lässt sich ob ihres Staunens nicht irritieren. Er will, dass sie sich aufmachen und gibt ihnen ein Zeichen, woran sie den Messias und Retter, den Langersehnten, erkennen können: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
 
Das Licht, das sie eben noch umstrahlte, die himmlische Liturgie, in die sie hineingenommen wurden, werden sie verlassen müssen, um das zu entdecken, worum es geht: ein Kind, das in Windeln gewickelt in einem Futtertrog liegt, weil in der Herberge kein Platz war. Ein obdachloses Kind also. 
 
Dieses obdachlose Kind als Zeichen für das Kommen Gottes steht nicht für sich allein; es steht für alle Menschen, mit denen sich Jesus solidarisieren wird: es steht für den Mann mit der gelähmten Hand, für die gekrümmte Frau, für den blinden Bartimäus, für die Ehebrecherin, die nicht gesteinigt werden soll, für den Aussätzigen, der nicht abseits stehen darf. 
 
Das Licht von Weihnachten, die Botschaft der Engel, die Liturgie, wie wir sie feiern: all das brauchen wir um zu lernen, auf die Zeichen zu achten, auf die es ankommt. Zeichen, die uns jeden Tag begegnen, wenn wir sie nur wahrnehmen: obdachlose Familien, Flüchtlinge, Kranke, Arbeitslose... Menschen, die in der Gesellschaft nicht zählen…

Das Achten auf das obdachlose Kind könnte Chance eines Neuanfangs sein: Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen und für alle Zukunft.

Hermann-Josef Venetz


samedi 7 décembre 2013

Gottes Klage im Advent

 

Es wird erzählt:

Rabbi Baruchs Enkel, der Junge Jechiel, spielte einst mit einem anderen Jungen Versteckis. Er verbarg sich gut und wartete, dass ihn sein Gefährte suche. Als er lange gewartet hatte, kam er aus dem Versteck hervor; aber der andere war nirgends zu sehen. Nun merkte Jechiel, dass jener ihn von Anfang an nicht gesucht hatte. Darüber war Jechiel sehr traurig. Weinend kam er in die Stube seines Grossvaters gelaufen und beklagte sich über den bösen Spielgenossen. Da flossen Rabbi Baruch die Augen über, und er sagte: So spricht auch Gott: ‚Ich verberge mich, aber keiner will mich suchen’.
Die Adventszeit zeigt es wieder einmal mehr: Wir sind Spielverderber. Statt uns auf die Suche zu machen, rennen wir davon. Aufgeregt und angespannt durchblättern wir die Versandkataloge, durchstöbern wir die Kaufhäuser, vergleichen wir die Preise und geben Bestellungen auf. Gefesselt von unserer Hektik vergessen wir das ‚Spiel’, das, worum es eigentlich geht. Eine tiefe Trauer liegt über unserer Adventszeit, die Klage Gottes: ‚Keiner will mich suchen.’

Was es zu finden gäbe? Gewiss mit Stereo-Anlagen, elektrischen Eisenbahnen, Pelzmänteln und Reisen in die Karibik kann es nicht konkurrieren. Ein Kind, in Windeln gewickelt, in einem Futtertrog liegend, schwach, sprachlos, unbeachtet. Es gibt weltweit täglich Zehntausende, die schlimmer dran sind. Sie müssen sterben, weil wir das "Spiel" nicht mitmachen wollen. Wir haben Gescheiteres zu tun, als uns um Bagatellen zu kümmern.
Bagatellen

? Zur Bagatelle ist ER in der Tat geworden, mehr noch: zum letzten Dreck. Ein Sklave, der den Sklaventod stirbt. Kein Anblick, dass wir sein begehrten, wie der Prophet sagt (Jes 53,2). Wiederzuerkennen in den Millionen Gefolterter und Hungernder.

Wir werden munter Adventslieder singen und Weihnachten feiern; so können wir Gottes Klage geschickt übertönen: „Ich verberge mich, aber keiner will mich suchen.“

Hermann-Josef Venetz

dimanche 1 décembre 2013

Die Richtung ist angegeben


 Ist der Messias nun eigentlich gekommen oder nicht? Oder kommt er
 an Weihnachten immer wieder neu?

 Für Christinnen und Christen scheint das klar zu sein: Für sie ist der Messias bereits gekommen. In Jesus Christus sind alle Verheissungen des Alten Testaments in Erfüllung gegangen. Dementsprechend blicken sie an Weihnachten feiernd auf seine Geburt zurück und singen Christ der Retter ist da. Freilich – spätestens nachdem die Festtage verrauscht sind, stellt sich die sehr bedrängende Frage: Wenn der Retter da ist, wenn der Erlöser bereits gekommen ist, warum gibt es denn 2000 Jahre danach noch so viel Unerlöstes?
Vom Neuen Testament her gesehen ist Weihnachten ein spätes Fest. Als die ersten Christinnen und Christen zusammenkamen, feierten sie nicht Weihnachten; sie verkündeten den Tod Jesu, sie priesen seine Auferstehung und gaben ihrer grossen Sehnsucht Ausdruck: Maranatha d.h. Komm, Herr Jesus, und sie munterten einander mit dem Ruf an: Unser Messias kommt.
Diese Dimension sollten wir nie aus den Augen verlieren. Das Besondere der Christinnen und Christen ist nicht das, dass sie glauben, der Messias sei bereits gekommen, sondern dass sie glauben, dass Jesus der Messias ist, Jesus von Nazaret, der vor bald 2000 Jahren das Kommen des Ewigen verkündete, der gekreuzigt wurde und zu dem sich Gott bekannte, indem er ihn nicht im Tod beliess, sondern von den Toten auferweckte. Jesu Auferweckung ist gewissermassen der Beginn seines Kommens.

Wenn wir schon vom Besonderen der Christinnen und Christen reden: Sie stehen in der eigentümlichen Spannung zwischen dem Schon und dem Noch nicht. Sie blicken zurück auf Jesus von Nazaret, erzählen sein Leben, seine Gleichnisse, erzählen von seinen Wundertaten, von seiner Ablehnung, von seinem Leiden und Sterben, verkünden seine Auferstehung; gleichzeitig aber strecken sie sich nach seinem Kommen aus: Der Messias, der kommen wird, wird kein anderer sein als Jesus von Nazaret. Und darum wird Jesus von Nazaret auch bis ans Ende der Zeiten der Mass-Gebende sein für alle, die an ihn glauben. Er hat die Richtung angegeben; wir haben in diese Richtung zu gehen und können gewiss sein, dass er uns begegnen wird. So lautete übrigens die Osterbotschaft, die die Frauen den Jüngern und dem Petrus weitergeben sollten: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. (Markus 16,7)
Hermann-Josef Venetz



samedi 9 novembre 2013

Karriere nach unten


Wer Karriere machen will, möchte nach oben. Hoch hinaus. Andere überrunden. Besser und bedeutender sein als die anderen Der Karriere opfern wir viel, für sie investieren und tun wir alles. Unsere Bildung ist auf Karriere ausgerichtet. Die Fächer, die die Schule anbietet, haben vor allem die Karriere der Zöglinge im Blick. Ohne Englisch keine Karriere. Ohne akademischen Abschluss keine Karriere. Ohne Beziehungen keine Karriere.
Ein wichtiger Blickpunkt der Karriere ist das Mehr: mehr Geld, mehr Einfluss, grösseres Prestige, höherer Status.

In den 50-er Jahren des ersten Jahrhunderts gab es im östlichen Griechenland die römische Militärkolonie Philippi, eine richtige Karrierestadt im Sinne Roms. Jeder und jede versuchte nach oben zu kommen. In dieser Stadt gründete Paulus eine christliche Gemeinde, die erste auf europäischem Boden. Wenige Jahre später musste Paulus feststellen, dass es hier nicht anders zu- und hergeht als in der polis, in der Stadt. Die Mechanismen des Zusammenlebens blieben die gleichen: Leute, die nichts anderes als ihre Karriere im Sinn hatten, kämpften um Posten und Pöstchen, um Ämter und Ämtchen; Klüngelei und Vetternwirtschaft gingen Hand in Hand mit Rücksichtslosigkeit, Eifersüchteleien, Neid und Argwohn …

In seinem Brief an die christliche Gemeinde in Philippi ruft Paulus den Leuten einen alten Christus-Hymnus in Erinnerung, der gewissermassen die Grundlage des Glaubens und das Grundmuster christlicher Existenz war und das Mass an Jesus, dem Messias nahm:

Er war in allem Gott gleich,
und doch hielt er nicht gierig daran fest,
so wie Gott zu sein.
Er gab alle seine Vorrechte auf
und wurde einem Sklaven gleich.
Er wurde ein Mensch in dieser Welt
und teilte das Leben der Menschen.
Im Hören auf Gott erniedrigte er sich so tief,
dass er sogar den Tod auf sich nahm,
ja, den Verbrechertod am Kreuz.
Darum hat Gott seine ‚Karriere’ dadurch vollendet,
dass er ihm seinen eigenen Namen und seine eigene Würde gab.
Und alle Menschen sollen in ihm das Modell ihres eigenen Lebens sehen und feierlich bekennen:
»Jesus Christus ist der HERR!« – zur Ehre Gottes des Vaters.

In der damaligen Zeit war HERR der Titel des römischen Kaisers. Für Christinnen und Christen war HERR – wie im griechischen Alten Testament – der unaussprechliche Name für GOTT.

Die Karriere, die Jesus im Hymnus angetreten hat und im Hymnus besungen wird, ist letztendlich die Karriere Gottes.

Hermann-Josef Venetz

samedi 2 novembre 2013

Gott verzeihen?




 Neulich las ich irgendwo diesen überraschenden Satz:
Stilvoll leben heisst, verzeihen können:
den Mitmenschen,
sich selber,
Gott.

Klingt beim ersten Hören gut. Und doch...

Beim Wort ‚verzeihen’ denken wir daran, wie sehr wir selber Verzeihung nötig haben und Gott und einander immer wieder um Verzeihung bitten müssen. Von Gott wissen wir, dass er sich in der Bibel wiederholt vorstellt als der grosse Verzeihende, „gnädig, barmherzig, langmütig, voll Huld und Treue“ (vgl. Ex 34,6-7). 
 
Jesus stellt seinen Jüngerinnen und Jüngern diesen Gott als Vorbild hin: Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lk 6,36) Damit gibt er auch das Mass der Barmherzigkeit an, mit der wir einander begegnen sollen.  
Nach dem oben zitierten überraschenden Satz gehört zum stilvollen Leben auch die Kunst, sich selbst zu verzeihen. Ob das unter Umständen nicht noch schwieriger ist? Es geht dabei nicht um Bagatellen, durch die wir uns vor anderen blamierten und auch nicht darum, dass wir enttäuscht sind, wenn wir den Erwartungen, die wir gegenüber uns selbst haben, nicht gerecht werden. Entscheidend ist, dass wir zu den eigenen Fehlern und zum eigenen sündhaften Ich stehen. Es geht um ein echtes Barmherzigsein uns selbst gegenüber: dass wir uns so annehmen, wie wir sind und dass wir uns selbst die Chance einräumen, von neuem zu beginnen. Dass wir mit uns so umgehen, wie Gott mit uns umgeht: „gnädig, barmherzig, langmütig, voll Huld und Treue“.

Aber ist es möglich oder sinnvoll oder überhaupt denkbar, dass wir Gott verzeihen? Es ist doch so, dass wir oft und oft, zu Recht oder zu Unrecht, ausgesprochen oder unausgesprochen für die ganze Misere in der Welt Gott verantwortlich machen und ihn als den Schuldigen hinstellen. Für die Erdbeben, die Hungersnöte, das schreckliche Leiden so vieler Menschen muss doch jemand die Verantwortung übernehmen. Und wer sollte es denn sein, wenn nicht Gott? Menschen sind zu so viel Ungerechtigkeit und so viel Zerstörung gar nicht fähig – so meinen wir.

Vielleicht sind diese Gedanken völlig abwegig wie so vieles abwegig ist, was wir über Gott denken. Aber spielen wir doch mal diesen Gedanken durch: Gott verzeihen. Hiesse das dann nicht, dass wir ihn trotz aller ‚Fehler’ und ‚Schwächen’ so annehmen, wie er ist; dass wir ihm die Chance einräumen, immer wieder von neuem zu beginnen; dass wir mit ihm so umgehen, wie er mit uns umgeht: „gnädig, barmherzig, langmütig, voll Huld und Treue“?

 Hermann-Josef Venetz

samedi 19 octobre 2013

Licht in der Nacht

Mit Licht verbinden wir normalerweise etwas Positives: Leben, Freude, Leichtigkeit. Mit Nacht verbinden wir Dunkelheit, Finsternis, Trauer und Tod. Die ersten Zeilen der Bibel sagen uns, dass am Anfang, als Gott Himmel und Erde erschuf, Finsternis über der Urflut lag. Und dann heisst es: »Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht.« Und weiter: »Gott sah, daß das Licht gut war.« (Gen 1,1-4) Von der Finsternis heisst es das nicht; sie wurde auch  nicht von Gott erschaffen.
Meine Beobachtungen zum Thema »Nacht in der Bibel« sind gewiss sehr unvollständig, und doch habe ich Erstaunliches gefunden.
So erscheint und wirkt und spricht Gott oft in der Nacht. In der Nacht kommt Gott zu Isaak um ihn zu segnen und ihm zahlreiche Nachkommenschaft zu verheissen (Gen 26,24). In der Nacht ergeht das Wort Gottes auch an den Propheten Natan (2 Sam 7,4). In der Nacht hat Daniel die Vision von der lichten Gestalt des Menschensohns (Dan 7). In der Nacht öffnet der Bote Gottes die Gefängnistore und befreit die Apostel (Apg 5,19).
Es gilt aber auch dies: Die Nacht ist die privilegierte Zeit des Gebetes: Der Psalmist singt und fleht nachts zum Gott seines Lebens. Jesus verbringt vor der Auswahl der Zwölf die ganze Nacht im Gebet zu Gott (Lk 6,12). Und in der Nacht, als Paulus und Silas in Philippi im Gefängnis sitzen, beten sie zu Gott und singen Loblieder (Apg 16,25).
Was wir diesen wenigen Beispielen entnehmen können? Für Gott sind auch unsere Nächte und unsere Finsternisse nicht zu dunkel; ja »sie werden leuchten wie der Tag«, heisst es in einem anderen Psalm (139,12), d.h. Gott wird uns auch in unserem schwersten Leid hören und uns beistehen. Darum kann der Beter auch sagen: »Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil«  (23,4). Und andernorts: »Mein Gott macht meine Finsternis hell« (18,29).

Hermann-Josef Venetz


samedi 12 octobre 2013

Wörtlich?



Wenn wir beim Lesen der Bibel etwas nicht verstehen oder Wörter und Sätze uns übertrieben oder gar absurd vorkommen, sagen wir gerne: „Das ist nicht wörtlich zu verstehen.“ Viel hilft eine solche Aussage freilich nicht, weil so ja immer noch nicht gesagt ist, wie es denn zu verstehen ist. 
 
Jeden Tag lesen oder hören oder sagen wir Sätze, die nicht wörtlich zu verstehen sind, und doch verstehen wir sie sehr gut. Beispiele:
Beim Hören dieser Nachricht, standen mir die Haare zu Berge.“
Bei diesem Fussballspiel kam der Käpten überhaupt nie zum Zuge.“
Für den Sonnenaufgang kamen wir zu spät.“
Als mein tot geglaubter Freund kam, bin ich buchstäblich aus allen Wolken gefallen.“
Über dem ganzen Land brütete eine unerträgliche Hitze.“ 
 
Niemand wird diese Aussagen wörtlich nehmen. Heisst das aber auch, dass wir all diese Aussagen nicht ernst zu nehmen brauchen?
Viel eher ist es doch so, dass gerade für die ernsten Erfahrungen und Einsichten die wörtlich zu nehmende Sprache nicht ausreicht. So nehmen wir die bildhafte oder gleichnishafte Sprache zu Hilfe oder verwenden Wörter und Sätze im übertragenen Sinn. Das hat es zu allen Zeiten und in allen Kulturen gegeben.

Das gilt auch für die Zeiten und Kulturen, in denen die Bibel geschrieben wurde. Die Bibel hat etwas Ernstes und Wichtiges zu sagen und sie möchte in diesem Sinne auch ernst genommen werden. Ja, fast könnte man sagen: Je bildhafter die Redeweise, desto dringlicher die Aufforderung an uns, sie ernst zu nehmen und diesen Ernst auch auf uns wirken zu lassen.

Nur ein kleines Beispiel. In Psalm 18 sagt der Beter: „…mit meinem Gott überspringe ich Mauern.“ Klar, dass das nicht wörtlich zu nehmen ist! Was soll das für einen Sinn machen, mit Gott Mauern zu überspringen? Der Beter ist überzeugt, dass ihm im Vertrauen auf Gott – „mit Gott“ – nichts unmöglich sein wird; er wird sich furchtlos für seine bedrängten Mitmenschen einsetzen, und er wird nie mehr sagen: da kann man nichts machen. Mögen die Schwierigkeiten noch so gross sein, „mit seinem Gott“ ist er zu grösserem fähig als er meint.

So spricht sich der Beter selbst Mut zu und bietet Gott sich selbst als Hilfe an, damit es auf dieser Welt friedlicher und gerechter zugeht. Was der Beter hier zum Ausdruck bringt, ist nicht wörtlich zu nehmen. Viel wichtiger ist, dass wir ihn ernst nehmen und uns anstecken lassen von der Zuversicht, die frei macht und dem Leben Schwung gibt.


Hermann-Josef Venetz

samedi 5 octobre 2013

„Tu mir kein Wunder zulieb“





Diese Aussage steht in einem Gedicht von Rainer Maria Rilke, einer Art Gebet, das mit diesen Worten beginnt:
Alle, welche Dich suchen, versuchen Dich...“
Zu diesen Versuchungen, gehört eben auch diese, von Gott Wunder zu erwarten oder gar zu erbeten. Das Schlimme daran ist, dass wir dann Gott an diesen Wundern festmachen. Gott als Wunderwirker. Gott als der Allmächtige. Eine weit verbreitete Vorstellung. Die Vorstellung, dass Gott „über“ allem steht und zu jeder Zeit in die Geschicke der Welt und in Gesetze der Natur und in unser Leben eingreifen kann. Sind wir denn so sicher, dass Gott der Allmächtige sein will?

Rilkes Gedicht geht so weiter:
...Und die, so Dich finden,
Binden Dich an Bild und Gebärde.“
Das ist seit jeher die Art der Menschen – auch und gerade der Gott suchenden Menschen – Gott zu versuchen: dass sie sich von ihm ein Bild machen, dem er – bitteschön – entsprechen soll. Dass sie ihn an Wunder binden, die er auf ihre Bitte hin zu wirken hat. Dass sie ihn unter Kontrolle haben wollen und ihn in Tempeln und Kirchen einsperren. Dass er in allem der Stärkere, der Überlegene sein muss. Mit einer solchen Erwartungshaltung setzen wir Gott unter Druck. Ähnlich wie wir mit unseren Erwartungen unsere Mitmenschen und uns selbst unter Druck setzen.

Rilkes Gedicht geht so weiter:
Ich will von Dir keine Eitelkeit, die Dich beweist.“
Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass es nie gut herauskommt, wenn wir meinen, uns beweisen oder jemandem imponieren zu müssen. Bei Gott ist es ebenso: Er soll sich durch nichts beweisen. Er soll nicht imponieren. Er soll Er sein. Er soll sich uns gegenüber nicht anders geben als er ist.
Im Grunde genommen ist das die erste und so wohl auch die wichtigste Bitte des Vaterunsers: Dein Name werde geheiligt. Du mögest Du sein und Du bleiben. Und nicht der, den wir uns wünschen oder uns vorstellen.

Hermann-Josef Venetz

dimanche 8 septembre 2013

Weil sie arm sind





Papst Franziskus hat es uns auf eindrückliche Weise in Erinnerung gerufen, was wir aus der Bibel schon lange wissen: Jesus stand auf der Seite der Armen. Die Evangelien erzählen uns auf Schritt und Tritt: von Arbeitslosen, Blinden, Aussätzigen, von Prostituierten, die oft der blanke Hunger auf die Strasse trieb, von Kleinbauern, für die die Steuerlast zu gross war...



Ausgerechnet für diese Leute schlug das Herz des Nazareners. Und das war nicht eine Marotte von ihm. Er konnte doch immer wieder in der Bibel lesen, wie sich der Ewige als Gott der Armen und Hungernden und Leidenden und Unterdrückten vorstellte, so zum Beispiel als er Mose schickte, sein Volk zu befreien:



Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs… Ich habe das Elend meines Volkes, das in Ägypten ist, gesehen, und ihr Schreien über ihre Treiber habe ich gehört; ja, ich kenne seine Leiden. Darum bin ich herabgestiegen…(Ex 3)



Der Gott Jesu ist ein Gott, der das Elend sieht und das Klagegeschrei hört, ein Gott, der nicht mehr an sich halten kann, wenn er Menschen in Not sieht.



Aber ausgerechnet mit dieser Feststellung tun wir uns schwer. Und unser Einwand – um nicht zu sagen Protest – ist seit jeher der gleiche: Die Armen sind doch um keinen Deut besser als die Reichen. Man frage nur jene, die es berufswegen täglich mit Armen zu tun bekommen. Unter den Armen gibt es nicht weniger Betrüger und Diebe, nicht weniger Neider und Lügner, nicht weniger Intriganten und Gewalttätige als anderswo auch.



Aber gerade das ist die Schwierigkeit, um die es geht: Wir meinen immer noch, Gott müsse so lieben wie wir; und wir lieben, weil die andern nett sind zu uns, weil die andern uns keine Schwierigkeiten machen, weil sie uns achten, weil sie gleicher Meinung sind wie wir, weil sie das Treppenhaus – wie es sich gehört – in Ordnung halten... Und so meinen oder erwarten wir auch von Gott, dass er nur die Ordentlichen liebt, Leute, die keine Schwierigkeiten machen, die am Sonntag zur Kirche gehen, die ihre Steuern bezahlen und weisse Westen tragen...



Wie von selbst kommt mir das Wort Jesu in den Sinn: Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben... Das tun doch auch die Sünder! Und wenn ihr nur denen Gutes tut, die euch Gutes tun... Tun das nicht auch die Heiden? Und wenn ihr nur die grüsst, die euch grüssen… Was tut ihr da Besonderes? (Mt 5,46-47)



Die Liebe Gottes ‚funktioniert’ eben nicht so wie die unsere, ja sie lässt sich mit der unseren gar nicht vergleichen, sie hat eine völlig andere ‚Logik’. Gott liebt und achtet die Armen nicht, weil sie gut oder gar besser sind als die Reichen. Gott liebt die Armen, weil sie arm sind.

 Um diese Liebe geht es.

Hermann-Josef Venetz

mercredi 4 septembre 2013

Kann man Gott lieben?

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich an dieser Stelle die Einsicht geäussert, dass wir uns mit dem Wort »lieben« schwer tun, ganz besonders wenn wir jemandem gegenüber unsere Zuneigung bekunden wollen. Es klinge zu intim, zu gefühlvoll, zu romantisch. Statt dessen schlug ich eine Variante vor, die weniger verfänglich, dafür aber realistischer ist: »Ti voglio bene.« Man kann das umschreiben mit »ich will dir gut«, »ich möchte, dass es dir gut geht«, »du sollst du sein können«, »ich möchte zu dir stehen, was immer auch geschehen mag«. Im Unterschied zu dem eher verschwommenen und undefinierbaren »ich liebe dich« drückt das »ti volio bene« etwas Konkretes, Handfestes und Dauerndes aus, etwas auch, dass man lernen kann.

Die Frage die sich mir heute stellt ist die, ob wir diese Redeweise auch auf unsere Zwiesprache mit Gott übertragen können. Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass mir Gott gut will, wenn ich auch selbst herausfinden muss, was das konkret bedeutet: dass er mich nicht im Stich lässt, wenn ich in einer misslichen Lage bin; dass er an mir festhält, auch wenn ich jemandem weg getan habe; dass er mir beisteht, wenn mich Angst befällt; dass er bei mir ist, wenn ich einem Fremden aus der Patsche helfe; dass er mich tröstet, wenn ich verletzt oder beleidigt bin. »Ti voglio bene« – ist das nicht eigentlich sein Name, wie er ihn dem Mose am brennenden Dornbusch kundgetan hat: »Ich bin der Ich-bin-Da, der, der mit dir geht, der dich nicht im Stich lässt«?

Hören wir mal in die Stille hinein, und wir werden seine Stimme vernehmen: »Ich bin für dich da. Ich lasse dich nicht. Ich bin mit dir. Ti voglio bene«.

Geht es nicht auch umgekehrt? Wir haben Mühe, Gott zu sagen, dass wir ihn lieben, weil das so phrasenhaft, so unverbindlich und darum auch so nichts sagend klingt; »lieben« kann ja alles Mögliche – oder auch nichts – bedeuten. Wenn ich Gott sage »ich will dir gut«, dann biete ich ihm meine Hilfe an, damit sein Werk gelingt. Dabei denke ich an seine Schöpfung, an unsere Mitwelt. Vor allem kommen dann all die Menschen in der Blick, die zu Gottes Leidwesen zu kurz kommen, die von uns zurückgewiesen werden und Hunger leiden, die aber ihm besonders am Herzen liegen. Der ganzen Welt und ihren Menschen will Gott gut sein – durch unsere Mithilfe. Wie denn sonst?

Wenn wir Gott sagen »ti voglio bene« schwingen wir uns ein in sein eigenes Gutsein und Erbarmen, wie wir es selbst in unserem Leben immer wieder erfahren.

Hermann-Josef Venetz

samedi 24 août 2013

Ti voglio bene





Mit dem Wort „lieben“ tun wir uns schwer. Es kommt nur sehr selten vor, dass wir jemandem sagen: „Ich liebe dich.“ Diese Aussage ist uns zu intim, zu persönlich, zu gefühlvoll, zu romantisch. Im Walliserdeutsch, das ebenerdiger klingt, gibt es diese Wendung überhaupt nicht – oder höchstens in der moderateren Form von „ich ha di gäre“.
Neulich sagte mir ein Mann, dem ich einen kleinen Dienst erwies, am Schluss eines Telefongesprächs: „Du, Hermann, ich ha di gäre.“ Mir blieb die Spucke weg und ich wusste nicht wie darauf reagieren. Ich sagte einfach: „Ja. Tschau, Marco!“ Sicher fand ich deswegen keine Antwort, weil mir noch nie im Leben ein Mann so etwas gesagt hat und weil ich darum auch nicht verstand, was er damit sagen wollte. Denn im „gern haben“ ist wie im „lieben“ zu viel Unbestimmtes, zu viel Verschwommenes, zu viel Unkonkretes, zu viel Schmus enthalten.
Und doch muss es möglich sein, unsere Sympathien, die wir für jemanden empfinden, auch ins Wort zu bringen. „Ich hab dich lieb“ sagt alles – oder eben auch nichts. Im Laufe der Zeit habe ich etwas gefunden, das ich sagen kann ohne zu erröten und ohne jemanden in Verlegenheit zu bringen. Ich kann es auch jemandem sagen, der mir nicht unbedingt sympathisch ist. Handfest und konkret kann ich dem Mitmenschen zu verstehen geben, dass ich zu ihm stehe, was immer auch passieren mag. Und damit es unverfänglicher klingt, sage ich es auf italienisch, das alle verstehen: „Ti voglio bene.“ Ich will dir gut. Ich möchte, dass es dir gut geht, dass du du sein kannst. Dahinter steht nicht undefinierbare Gefühlsduselei sondern die feste Absicht, mein Gegenüber nicht allein zu lassen, ihm in Schwierigkeiten beizustehen, ihm konkret zur Hand zu gehen.
Das „ich will dir gut“ kann man lernen, einüben mit jeder noch so kleinen Handreichung – im Unterschied zur Verliebtheit; die muss man nicht lernen, die ist plötzlich einfach da – und fast unbemerkt verschwindet sie nach einer Weile wieder. Das „ti volio bene“ hat etwas Dauerndes und Bleibendes. Und Konkretes.
Hermann-Josef Venetz

samedi 17 août 2013

Gott als Freiheit und Beziehung


Gott ist im Himmel – so heisst es im Vaterunser. Das meint vor allen Dingen, dass Menschen über ihn nicht verfügen können und auch nicht verfügen wollen. Sie wollen Gott Gott sein lassen. Sie wollen dem, der seinen Namen nicht preisgibt, sondern von sich sagt: Ich bin der Ich-bin-da (Exodus 3,14), das Geheimnis nicht entreissen. Sie wollen ihm die Freiheit lassen, so zu sein, wie er ist und so mit-zu-sein, wie er es für gut und richtig findet. Menschen fahren besser, wenn sie Gott so sein lassen, wie er ist und ihm nicht immer Vorschriften machen, wie er zu sein habe. Aus der Lektüre der Heiligen Schriften wird immer wieder deutlich: Gott ist sehr auf seine Freiheit bedacht; denn jede Einschränkung seiner Freiheit geht auf Kosten des Lebens der Menschen.

Gott ist auch auf die Freiheit der Menschen bedacht, weil ihm an der Beziehung zu den Menschen alles liegt. Beziehung, Liebe kann es ja nur geben, wo Freiheit ist. In diesem Sinn sind auch die Weisungen zu verstehen, die Gott den Menschen gegeben hat: sie sind Garantinnen für ein freies und gelungenes Leben.
Dadurch, dass Menschen zu Gott Vater unser oder auch Mutter unser sagen, werden sie über alle Grenzen und Schranken hinweg zu einer einzigen und einzigartigen Familie zusammengeführt – und Familie besteht ja aus Beziehungen. Menschen, die zu Gott Vater unser oder auch Mutter unser sagen, sind im Innersten und im Tiefsten geschwisterlich. In ihnen lebt die Kraft der Freiheit und der Solidarität mit allen Menschen – auch mit Gott.

Hermann-Josef Venetz

samedi 10 août 2013

Ein politisches Gebet




 Obwohl uns das nicht bewusst und vielleicht nicht einmal recht ist: Das Vaterunser ist zutiefst ein politisches Gebet. Die Bilder und Begriffe, denen wir in diesem Gebet begegnen, hatten zur Zeit Jesu und auch noch in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten eine eminent politische Bedeutung: Vater war ein Titel der römischen Kaiser. Das Reich rief sogleich das Römische Imperium in Erinnerung. An Brot war und ist nicht zu denken ohne die nie enden wollenden Kämpfe der Mächtigen vor Augen zu haben, die um die Ressourcen Kriege führen. Die Schulden wurden damals wie heute gnadenlos eingetrieben, auch Völkern und Staaten gegenüber, die sich verschuldet haben.
Mit verschränkten Armen können wir dieses Gebet nicht sprechen. Hingegen können wir uns bei jeder Bitte einbringen und dem Vater im Himmel unsere Hilfe anbieten. Vielleicht so: Dein Reich komme – mit unserer Hilfe kannst du rechnen. Dein Wille geschehe – wir wollen dir dabei zur Hand gehen. Unser tägliches Brot gib und heute – wir wollen es mit den Hungernden teilen.
Mit dem Vater im Himmel können wir die Welt verändern.
Hermann Venet 

samedi 3 août 2013

Ein Gebet zum Verweilen





Ich möchte wetten: Wenn uns jemand nur das Stichwort gibt ‚Vaterunser’ fahren wir gleich fort ‚im Himmel, geheiligt werde dein Name...’ und beten bis zum Schluss, und kaum ist das ‚Amen’ verklungen, stellen wir uns die Frage: ‚Was hab ich jetzt da beim Beten eigentlich gesagt?’ Das ist weiter nicht schlimm, das gehört zur Routine, und zur Routine gehören auch die Zerstreuungen. Nichts ist normaler als das.
Es gäbe ein einfaches Mittel gegen die Routine und auch gegen die Zerstreuung anzugehen: Wir beten nicht täglich das ganze Vaterunser, wir beten täglich nur eine Bitte aus dem Vaterunser, aber diese immer wieder. Zum Beispiel: Dein Reich komme; aber werden wir nicht gleich ungeduldig, wenn wir spontan fortfahren mit ‚Dein Wille geschehe’. Das kommt eben von der Routine her. Tun wir doch dieser zentralen Bitte Dein Reich komme den Gefallen, bei ihr zu verweilen, so dass diese Bitte den ganzen Tag uns begleitet und zu unserer einzigen Bitte wird, ja zum zweiten Ich und dass wir selbst Teil dieser Bitte werden. Was immer wir tun oder erleben, sagen wir einfach Dein Reich komme. Man kann, wenn man Lust hat, diese Bitte mit eigenen Worten formulieren: ‚Komm doch’ oder ‚Sei bei uns’ oder ‚Du bist da’ oder ‚Lass uns leben’ oder ‚Wir sind in deiner Hand’. Und wenn wir auch nur ein paar Sekunden Zeit haben, gehen wir doch die eine oder andere Szene aus dem Leben Jesu durch: wie er den Leuten zuhört oder wie er die Armen beglückwünscht  oder wie er mit ihnen das Brot teilt oder wie er den Leuten Geschichten erzählt oder wie er mit ihnen leidet... Und vergessen wir nicht, uns in diese Bitte hineinnehmen zu lassen: Dein Reich komme – auf meine Hilfe sollst du dich verlassen können.
Jede der Vaterunser-Bitten kann unseren Alltag verzaubern und in neuem Licht erscheinen lassen.