vendredi 27 février 2015

Nimm mich…



Vor einiger Zeit habe ich ein Lied entdeckt, von dem ich – zu meiner Schande sei es gesagt – weder den Text noch die Melodie kannte, obwohl es in unserem allgemeinen Kirchengesangbuch stand.
Die erste Strophe lautet so:
Nimm du mich, Heiliger Atem, zünde dein Feuer an,
zeig den Weg gib Antwort, aus der ich leben kann.
Es ist ein Heilig-Geist-Lied. Die Grundbedeutung des hebräischen Wortes für Geist, ruach, dürfte Hauch, Atem, Wind, Sturm… sein. Sicher ist, dass der Ausdruck im  Hebräischen weiblich ist. Man hat im Zusammenhang mit ruach auch schon von der weiblichen Seite Gottes gesprochen oder ruach ganz einfach mit Geistin übersetzt. Auf diesem Hintergrund ist es doch nicht verwegen, in der Wendung nimm mich einen erotischen Zug zu ahnen.
Diesen erotischen Zug findet man auch in der 2. Strophe, wo es heisst:
Gottesgeist komm und berühre…
Einen ähnlichen Klang haben auch weitere Einladungen im Lied:
wecke mich, fass mich (an), treib mich…
Das Lied bittet den Heiligen Atem:
zünde dein Feuer an.
Die Vorstellung mag bedrohlich sein, denn an einem feurigen Atem könnte man sich ja verbrennen. Aber dann erinnere ich mich an Jesu Wort in Lukas 12,49:
Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen.
Wie froh wäre ich, es würde schon brennen.
Es ist das Feuer der Leidenschaft, der heilige Atem der Weltleidenschaft Gottes – so der Buchtitel des Theologen und Pfarrers Kurt Marti.
Mit dem Lied erbitte ich vom Heiligen Atem dieses Feuer der Leidenschaft:
Zeig den Weg, gib Antwort, aus der ich leben kann.
Der Heilige Atem, die Weltleidenschaft Gottes allein ist es, die den Weg des Lebens zeigen und die Antwort des Lebens geben kann. Es erinnert mich an Deuteronomium 4,24, wo Gott von sich sagt:
Der Ewige, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer,
ein leidenschaftlicher Gott.
Wer Gott sagt, sagt Leidenschaft. Und der Weg, den er zeigt, ist ein leidenschaftlicher Weg – ganz so, wie Jesus ihn gegangen ist in dem oben zitierten Sinn (Lk 12,49):
Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen.
Wie froh wäre ich, es würde schon brennen.
Diesen Heiligen Atem erbitte ich, dass er mich mit Jesus zu brennen lässt.
Ein engagiertes, ja ein riskantes Gebet.
Hermann-Josef Venetz
(Chagall)

vendredi 20 février 2015

Du sollst ein Segen sein
so lautet der Auftrag des Ewigen, als er Abraham berief, um ihn zu einem grossen Volk zu machen. Durch Abraham sollen alle Geschlechter der Erde gesegnet sein (Genesis 12).
Zu Beginn des Matthäusevangeliums steht die Liste der Generationen – von Abraham bis David, von David bis zum Exil, vom Exil bis zum Messias Jesus – und der Segen Abrahams geht durch all diese Generationen hindurch (Matthäus 1).
Mit dem Messias Jesus hat dieser Segen keineswegs zu fliessen aufgehört – im Gegenteil! Er sieht in der verachteten und wohl darum gekrümmten Frau in der Synagoge eine Tochter Abrahams (Lukas 13). Als er beim reichen Oberzöllner Zachäus zu Gast war, erklärt er der empörten Menge sein Verhalten dadurch, dass auch dieser ein Sohn Abrahams ist (Lukas 19).
Für Paulus gehören alle, die glauben, zum glaubenden Abraham und werden wie er gesegnet (Galaterbrief 3,9). Dieser Segen geht durch alle Geschlechter hindurch bis auf den heutigen Tag, denn alle Geschlechter der Erde sollen gesegnet sein.
Was ‚Segen’ bedeutet? Wenn ich jemanden segne, wünsche ich ihm oder ihr volles Leben mit allem, was das besagt: Glück, Freude, Frieden – eben Leben in Fülle, wie es von Gott stammt und wie es von Gott gewollt ist. Dieser Segen schliesst niemanden aus, der an das Leben glaubt, denn dieser Segen ist für alle Geschlechter der Erde bestimmt. Und alle Menschen sind auch befugt, diesen Segen weiterzugeben. Es braucht dafür keine Spezialisten. Wer Mitmenschen den Segen verweigert, verweigert den Segens- und Lebensfluss – und verweigert sich selbst dem lebenspendenden Gott.
Wenn der Bischof einem Pfarrer verbietet, ein lesbisches Paar zu segnen, versucht er, den göttlichen Lebensfluss ins Stocken zu bringen. Das wird – Gott sei gedankt – nicht gelingen. Auch Proteste und Kirchenaustritte richten hier nichts aus.
Die Gemeinden möchte ich ermutigen, selbst den beiden Liebenden beizustehen und sie segnend zu begleiten, wo immer der Geist sie führt.
Hermann-Josef Venetz

lundi 16 février 2015

Glaube als Trotz ?
Zvi Kolitz (1912-2002) war ein aus Litauen stammender jüdischer Schriftsteller und Journalist. Zur Zeit er Judenvernichtung während des 2. Weltkrieges trieb ihn vor allem die Frage um, ob und wie der Mensch trotz Verfolgung und Leid an Gott glauben kann. Die gekürzte Fassung seines Textes » Monolog Jossel Rakovers « ist auf verschiedenen Wegen zu uns gekommen.
Mein Rabbi hat mir oft eine Geschichte erzählt von einem Juden, der mit Frau und Kind der spanischen Inquisition entflohen ist und über das stürmische Meer in einem kleinen Boot zu einer steinigen Insel trieb. Es kam ein Blitz und erschlug die Frau. Es kam ein Sturm und schleuderte sein Kind ins Meer. Allein, elend, nackt, geschlagen vom Sturm und geängstigt von Donner und Blitz, ging der Jude seinen Weg auf der wüsten Felseninsel mit erhobenen Händen weiter und rief:
Gott Israels, ich bin hierher geflohen, um dir ungestört dienen zu können, um deine Gebote zu erfüllen und deinen Namen zu heiligen. Du aber hast alles getan, damit ich nicht an dich glaube. Solltest du meinen, es wird dir gelingen, mich von meinem Weg abzubringen, so sage ich dir: Mein Gott und Gott meiner Väter, es wird dir nicht gelingen! Du kannst mich schlagen, mir das Beste und Teuerste nehmen, das ich auf der Welt habe; du kannst mich zu Tode peinigen – ich werde immer an dich glauben. Ich werde dich immer liebhaben – immer – dir selbst zum Trotz!
Höre, Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einer und einzig!’

Hermann-Josef Venetz