samedi 26 avril 2014

Die Sackgasse



Seit Bestehen der Menschheit wurde die Frage nach ‚Gott’ immer wieder gestellt und ganze Bibliotheken wurden zu diesem ‚Thema’ geschrieben: Gott ist allmächtig, allwissend, allgegenwärtig; er hat alles erschaffen, er steht über allem, sieht alles, hört alles… Man müsste doch meinen, zu diesem ‚Thema’ sei bereits alles gesagt und gehört und geschrieben und gelesen worden. Aber eben: Wir haben ‚Gott’ zum ‚Thema’ gemacht aber ihn nie zu Worte kommen lassen. Wir haben alles Mögliche in ihn hineinprojiziert und ihn so für uns zurechtgeschneidert. Wir haben uns einen Gott nach unserem Bild und Gleichnis gemacht und uns so in eine tödliche Sackgasse begeben.

Aus dieser Sackgasse könnte uns Jesus herausführen, wenn wir wirklich auf ihn sehen und ihn nicht zum altbekannten ‚Gott’ machen würden, von dem wir ja ganz genau zu wissen meinen, wer er ist und was er sagt. Wenn wir beim Reden über Jesus nur unser Reden über Gott wiederholen – er ist allmächtig, allwissend, allgegenwärtig – drehen wir uns weiterhin im Kreis und bleiben so in der tödlichen Sackgasse. Aus dieser Sackgasse wird uns nur der Jesus befreien, den wir nicht zum ‚Thema’ machen, sondern zu Worte kommen lassen, dem wir nachfolgen auf dem Weg zu den Armen und Hungernden, zu den Fremden und Abgeschriebenen.

Hermann-Josef Venetz

samedi 19 avril 2014

Gottes Sehnsucht


 Die Mystikerin Mechthild von Magdeburg – sie lebte im13. Jahrhundert – soll gesagt haben:
Gott hat an allen Dingen genug, nur allein die Berührung der Seele wird ihm nie genug.
Das klingt doch so, als ob Gott Sehnsucht habe nach den Menschen, so als ob er ihnen nie nahe genug sein könne. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen guten und bösen Menschen, zwischen starken und schwachen; zu ihnen könnte sogar ich gehören.
In einem Heilig-Geist-Lied heisst es:
Gottesgeist, komm und berühre mein mir verborgenes Ich.
Das Ich, das ich täglich erfahre – mit all seinen Stärken und Schwächen, mit allem Hoffen und Bangen und Scheitern – ist nicht das ganze Ich. Das eigentliche Ich im Tiefsten meiner selbst ist mir verborgen. Aber Gott soll dieses Ich berühren; es ist das Ziel seiner Sehnsucht.
In seinen Bekenntnissen spricht Aurelius Augustinus – er lebte im 4./5. Jahrhundert – vom deus intimior intimo meo, das heisst vom Gott der mir – wörtlich – intimer ist als mein Intimstes, mir näher als ich mir selber bin. Auch hier geht es nicht nur um mein oberflächliches Ich. Gott möchte meinem innersten, eigentlichen Ich nahe sein. In jedem Menschen, auch im korruptesten, wohnt ein solches Ich.
Die Idee von der Sehnsucht Gottes nach den Menschen, nach dem Innersten des Menschen lässt mich nicht mehr los.
Kürzlich sass ich im Bus an der Haltestelle beim Python-Platz in Freiburg. Am Rande einer Kundgebung sah ich eine Gruppe von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen. Eine junge Frau beugte ihren Oberkörper unaufhörlich nach vorwärts und wieder zurück, vor und zurück, vor – zurück. Und es drängte sich mir die Frage auf: Hat Gott auch Sehnsucht nach dem Innersten dieses Geschöpfs? Und äussert sich vielleicht seine Sehnsucht gerade in den fast wilden Bewegungen dieser jungen Frau? – Und könnte es sein, dass auch diese junge Frau ihre Sehnsucht nach Gott nur mit diesen Bewegungen äussern kann?

Hermann-Josef Venetz

samedi 12 avril 2014

Schaut vorwärts !



Es macht wenig Sinn, darüber zu grübeln und sich darüber zu quälen, was man alles falsch gemacht oder vernachlässigt hat. Und wenn uns etwas Leidvolles zustösst, fragen wir um Himmels Willen nicht, wofür uns Gott bestrafen will. Gewiss sollen wir die Dinge, die schief gelaufen sind, wieder in Ordnung zu bringen, soweit das möglich ist, und Menschen, denen wir Unrecht getan haben, sollen wir um Verzeihung zu bitten. Quälen sollen wir uns aber nicht; Selbstvorwürfe blockieren nur; und Gott hat nicht das geringste Interesse daran, uns zu strafen. Vielmehr gilt es, jetzt da zu sein und es besser zu machen und ohne Hektik die Zeit zu nützen, die uns noch bleibt.

Leute kamen zu Jesus und berichteten ihm, dass der Turm am Siloach eingestürzt sei und achtzehn Menschen erschlagen habe. Jesus gestattet es nicht, nach der Schuld der Erschlagenen zu fragen; sie hatten nicht mehr Schuld auf sich geladen als alle anderen Bewohner Jerusalems. Die einzige Konsequenz, die es aus dem tragischen Vorfall zu ziehen gilt, ist diese: Kehrt um und fragt nach Gott und geht auf seinen Wegen! (vgl. Lk 13,1-5)

Ein anderes Mal begegnet Jesus mit seinen Jüngern einem blindgeborenen Mann. Die Frage der Jünger war prompt die nach der Schuld: Wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde? Eben so prompt war die Antwort Jesu: Weder – noch! Fragt nicht nach der Schuld! Fragt nicht nach der Vergangenheit! Blickt viel mehr vorwärts, blickt vielmehr auf die Chancen, die Gott in seiner Weisheit diesem Menschen eröffnet! Und lasst euch in die Pläne Gottes einbinden! (vgl. Joh 9,1-3)

Glaubende Menschen lassen sich weder von der eigenen Schuld noch von der Schuld anderer erdrücken. Sie fragen nach Gott, der das Leben aller will.

Hermann-Josef Venetz

samedi 5 avril 2014




Als Jesus getauft wurde...

Alle vier Evangelisten berichten von der Taufe Jesu zu Beginn seines öffentlichen Auftretens, aber jeder setzt die Akzente etwas anders. Das ist nicht verwunderlich. Die Tatsache, dass Jesus von Johannes getauft worden ist, war für die ersten Christen ein Problem. Wenn Jesus von Johannes getauft worden ist, muss Johannes doch bedeutender gewesen sein als Jesus, und so sahen manche gut-gläubige Menschen in Johannes den Messias. Hier mussten die Dinge zurecht gerückt werden: Nicht er (der Täufer) war das Licht, er sollte nur Zeugnis geben vom Licht, heisst es im Johannesprolog (Joh 1,8).

Den Evangelisten ging es nicht so sehr um das Faktum der Taufe Jesu als vielmehr um die Deutung des Geschehens. Die Texte sind voll der Hinweise:
- der geöffnete Himmel ist wie eine Antwort auf den Hilfeschrei des Volkes im Exil: O dass du die Himmel zerrissest und herabstiegest... (Jes 63,19);
- der Geist Gottes ist derselbe, der am Anfang über den Wassern schwebte (Gen 1,2);
- Jesus, der Knecht, der Erwählte, an dem Gott sein Wohlgefallen hat und auf den er seinen Geist legt (Jes 42,1), ist der Sohn Gottes;
und noch an vieles mehr wird hier erinnert. Geballte Theologie aus verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Facetten.

Aber so vielfältig die Evangelisten das Geschehen schildern und interpretieren, eines fehlt doch bei keinem von ihnen: die Taube. In früheren Zeiten hatte die Taube auch ausserhalb des Christentums eine religiöse Bedeutung, war sie doch als Vogel dem Himmel näher als alle anderen Geschöpfe. Dazu kam aber noch eine weitere Bedeutung: sie galt ganz einfach als schön, lieblich, sanft, zärtlich und inspirierte zu Liebesgedichten, denken wir nur an das Hohelied der Liebe im Ersten Testament, wo der Bräutigam von seiner Braut schwärmt: Deine Augen sind wie die einer Taube (1,15). 

 

Die Taube als Symbol des Friedens und der Zärtlichkeit ist von der Taufe Jesu nicht wegzudenken, nicht wegzudenken von der Beziehung Gottes zu seinem geliebten Sohn und zu allen Menschenkindern. Im ersten Johannesbrief (4,9) heisst es:
Gott ist Liebe
ebenso könnte man auch sagen:
Gott ist Zärtlichkeit.

Hermann-Josef Venetz