samedi 29 septembre 2012

Der Ölkrug wird nicht versiegen (1Könige 17,8-16)


Es waren Hungerleider, die Witwe und ihr Sohn, nach der lange dauernden Dürrezeit. Als der Profet Elija, von Gott geschickt, zu ihnen kam, waren sie dabei, Holz aufzulesen. Elija bat die Witwe, ihm einen Becher Wasser zu holen. Als sie sich anschickte, seinem Anliegen nachzukommen, rief der Prophet ihr nach:
Bring mir auch noch einen Bissen Brot.“

Das geht nicht“, sagte die Frau. „Das bisschen Öl im Krug und die Handvoll Mehl im Topf reichen kaum für meinen Sohn und mich. Mit dem Holz, das wir sammeln, wollen wir heimgehen und uns etwas zubereiten. Das wollen wir essen und dann sterben.“

Das kannst du ruhig tun“, erwiderte der Prophet. „Nur bring mir zuerst einen Bissen Brot. Dann kannst du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten. Denn das sagt der Ewige:
Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug wird nicht versiegen…
Die Frau tat, was Elija ihr geboten hatte. So hatte sie und ihr Sohn noch viele Tage zu essen.

Und die ‚Lehr von der Geschicht‘?

Wenn du nicht nur überleben, sondern wirklich leben und von deinem Leben auch etwas haben willst, dann tun es die paar überflüssigen Münzen, die du ab und an in den Klingelbeutel wirfst, nicht. Schau dich nach deinen Ressourcen um, die dir anvertraut sind und bring dich selbst ins Spiel. Du hast und bist mehr als du meinst. Du kannst selbst Brot werden für das Leben der Welt. Viele Tage. Der Ewige hat es gesagt.

Hermann-Josef Venetz


samedi 22 septembre 2012

Sie laufen davon


 Herbst 1989. In der DDR gingen die Menschen zu Tausenden auf die Strasse. Die Fluchtwelle war bereits im vollen Gange.
In diesen Tagen kamen in unseren Radio- und Fernsehsendungen, verschiedene Polit- und Kulturgrössen zu Wort. Unter ihnen Stefan Heym, der bekannte Schriftsteller. Ihm wurde die Frage gestellt, warum die Leute, besonders die Jungen, die DDR verlassen. Diese seien doch während Jahren im Geist des Sozialismus erzogen worden. Schon mit der Muttermilch sei ihnen eingeflösst worden, dass es gar nichts Besseres und nichts Wahreres gebe als die DDR. Die Antwort Heyms gab mir zu denken. Sinngemäss sagte er: Der Grund für das Verlassen des Landes liege im Auseinanderklaffen von Ideal und Wirklichkeit.
In der Tat: Demokratie klingt wie ein Hohn, wenn weder in der Gemeinde noch am Arbeitsplatz auch nur ein Hauch von Mitbestimmung gefragt ist. Volk klingt wie eine Beleidigung, wenn man bedenkt, dass dieses Volk sich ja nirgends artikulieren kann ausser in erzwungenen Kundgebungen und in manipulierten Wahlen. Auf die Dauer kann kein Mensch dieses grosse Gefälle ertragen; entweder er erkrankt, wird depressiv, er steigt auf die Barrikaden oder verlässt das Land.
Zu denken gaben mir diese Äusserungen von Stefan Heym, weil gewisse Parallelen auf der Hand liegen. Immer mehr Menschen verlassen die Kirche. Sie tun das unauffällig. Sie sind durchaus bereit, weiterhin Kirchensteuern zu bezahlen und gewisse Dienstleistungen wie Taufe, Trauung und Beerdigung in Anspruch zu nehmen. Aber darüber hinaus reicht ihr Engagement nicht.
Die Gründe für diese »stille Emigration« sind nicht leicht zu benennen. Zu leicht machen es sich gewisse kirchliche Kreise, wenn sie die Schuld daran den Leuten, dem Materialismus oder der Säkularisierung in die Schuhe schieben. Vielleicht sollte man sich auch bei uns fragen, wie es denn mit der Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit steht und ob Wortreichtum wirklich genügt, um diese Kluft zu überwinden. Auch in der Kirche spricht man gerne vom Volk, vom Volk Gottes. Wenn man aber nach den Rechten dieses Volkes fragt, ist man doch ziemlich perplex: Rechte im eigentlichen Sinn gibt es nur für gewisse Schichten und Stände.

Von Gemeinschaft ist viel die Rede und von Mündigkeit, ja selbst Räte werden eingesetzt, und es gibt dafür sogar Wahlen. Man lässt die Leute sogar diskutieren. Aber Entscheidungsbefugnis haben sie keine; sie können sich höchstens dazu entscheiden, dem Vorgesetzten einen Rat zu erteilen.

Auch Gleichberechtigung wird gross geschrieben, und man spricht gerne von Brüdern und Schwestern und von geschwisterlicher Kirche. Wenn es dann aber darauf ankommt, sind es doch nur die Brüder, die das Sagen haben, während die Schwestern dazu da sind, die Kirchen zu füllen, die Säle mit Blumen zu schmücken, den Orgeldienst zu versehen und – wenn es hoch kommt – die von den Brüdern bestimmten Texte vorzutragen.
Von der damaligen Wende in den Oststaaten wäre immerhin dieses zu lernen: All die Worthülsen mit ihren Idealen – mögen wir sie noch so fleissig wiederholen und lautstark predigen: solange diese Ideale nicht »greifen«, nicht irgendwo einen Berührungspunkt haben mit der konkreten Wirklichkeit, wird das ganze Bemühen nicht nur umsonst, sondern gar kontraproduktiv sein. Die Leute – die Arbeiter, die Jugendlichen, die Frauen – werden weiterhin in Scharen die Kirche verlassen. Ob es laut oder leise geschieht, tut nicht viel zur Sache.

Hermann-Josef Venetz

mardi 18 septembre 2012

Tabu Geld

Hierzulande kann ein Pfarrer praktisch über alles predigen, nur nicht über Geld und Reichtum; irgendwie verunsichert dieses Thema die Leute.
Gewiss kann ich so ganz allgemein zum Beispiel sagen: »Geld allein macht nicht glücklich.« Ich kann sogar sagen: »Die Schweiz ist eines der reichsten Länder.« Wenn aber jemand gefragt wird, ob er reich sei, betrachtet er diese Frage als unverschämt, weil das niemanden etwas angeht. Zudem würde er eine solche Frage glatt verneinen. » Reich? Ich? Nur weil ich ein gutes Gehalt beziehe und eine anständige Pensionskasse habe und mir so einiges leisten kann? Ich kenne Leute, die gut und gern doppelt so viel verdienen wie ich, einen viel teureren Wagen fahren als ich und erst noch eine Villa an der Côte d’Azur besitzen…«
Ich bin zur Überzeugung gelangt: Wenn es in der so genannten reichen Schweiz überhaupt reiche Leute gibt, sind sie an einer Hand abzuzählen. Und diese tragen alle – wie sie sagen – eine unvergleichlich grosse Verantwortung…
Niemand  will reich sein und niemand will über Geld reden.
Nun, das müssen wir auch nicht. Es genügt, wenn wir das Wenige, das wir haben, mit denen teilen, die auch bei uns Monat für Monat in Bedrängnis kommen, weil das Geld eben nicht ausreicht – und weltweit mit denen, die Tag für Tag zusehen müssen, wie ihre Kinder Hungers sterben.
Wir könnten so übrigens auch unsere eigene Lebensqualität um vieles verbessern.
Hermann-Josef Venetz

samedi 8 septembre 2012

Keine Einbahnstrasse





Im Wort »gehorsam« steckt das Verb »hören« oder besser noch »horchen«.

Im Laufe der Zeit hat »gehorsam« seine eigentliche Bedeutung verloren; genauer gesagt: Der Gehorsam ist zur Einbahnstrasse geworden. Gehorsam ist man nur gegenüber so genannten Höhergestellten: Kinder gegenüber Eltern, Untergebene gegenüber dem Chef, Soldaten gegenüber den Offizieren, das Volk gegenüber den Regierenden usw.

Nur: so einfach geht das nicht. Wenn ein Kind eine gewisse Nahrung zurückweist, ist das nicht schon Ungehorsam. Das Kind kann diese Nahrung vielleicht nicht ertragen oder hat entsprechende Allergien. Da nützt alles Befehlen nicht. Umso mehr wird die Mutter das Kind gut beobachten, eben gut hinhorchen. Wenn eine Angestellte dem Auftrag des Abteilungsleiters nicht nachkommt, muss das nicht schon eine Befehlsverweigerung sein. Es könnte ja sein, dass der Abteilungsleiter die praktische Durchführung und die konkreten Konsequenzen seines Auftrags zu wenig bedacht hatte. Er hätte besser die Angestellte gefragt, wie es um die konkrete Durchführung des Auftrags steht – und ihr auch zugehört.

Das war und ist auch der Fehler jener Staatschefs, gegen die sich das Volk erhebt. Sie haben Befehle erteilt und das durchgesetzt, was sie für richtig hielten. Sie haben den Leuten selten recht zugehört, sich kaum um das gekümmert, was sie umtreibt. Gutes Zu-hören, Ge-horchen beruht auf Gegenseitigkeit. Leute, die in einer guten Beziehung leben, wissen das, auch wenn sie es immer wieder lernen müssen.

Lernen sollte das auch die Kirche, und zwar die Kirche als ganze. Seit einigen Jahren schon gibt es gewisse Postulate der »Kirche von unten«; diese betreffen u.a. die Strukturen der Kirche, die Zulassung von Frauen zu den Ämtern, die Rechtskultur, die Gewissensfreiheit. Schlimm genug, dass es überhaupt so etwas wie eine »Kirche von unten« gibt. Es gibt sie nur, weil gewisse Leute, besonders Männer, »von oben herab« Befehle erteilen, ohne auch nur im geringsten zuerst diejenigen anzuhören, an die sie ihre Befehle richten.

Der Vorwurf des »Ungehorsams« fällt auf diese Männer selbst zurück; sie unterlassen es, auf das Volk zu hören, seine Nöte und Anliegen richtig abzuhorchen.

Hermann Josef Venetz

samedi 1 septembre 2012

Hört!




»Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen...

Für die Liturgie des morgigen Sonntags sind drei Lesungen aus unseren Heiligen Schriften vorgesehen, die erste aus dem Buch Deuteronomium, die zweite aus dem Jakobusbrief, die dritte aus dem Markusevangelium, in dem Jesus in seiner Predigt den Propheten Jesaja zitiert. Alle drei Lesungen kreisen um das Thema HÖREN.

HÖREN ist etwas, das in unserem Gebetseifer fast völlig untergegangen ist. Wir stopfen mit unseren Gebeten dem lieben Gott die Ohren voll, und das erst noch mit Anliegen, die er doch schon längst kennt:

- dass viele Menschen Hungers sterben,
- dass die Güter dieser Welt so schlecht verteilt sind,
- dass der Friede in weiter Ferne ist,
- dass wir zu wenig Priester haben usw. usf.

... aber ihr Herz ist weit von mir«

Ich vermute, dass wir darum so viele Worte machen, weil uns Worte weniger kosten als Taten und weil wir mit unseren gewiss schönen und lautstarken Gebeten die Bitten Gottes, die er an uns richtet, leichter überhören können; er ist nämlich leise. Sein Flehen hört sich ungefähr so an:
- tut endlich etwas gegen den Hunger in der Welt,
- sorgt für eine gerechte Verteilung der Güter, die ihr in Fülle geschenkt bekommt,
- hört auf mit Waffenexporten,
- setzt euch für die Menschenrechte ein – auch in der Kirche usw. usf.

Jakobus bringt es in seinem Brief auf den Punkt:

»Hört das Wort und nehmt es zu Herzen, sonst betrügt ihr euch selbst:…
Der wahre und vollkommene Gottesdienst besteht darin:
- sich um Witwen und Waisen zu kümmern, die in Not sind,
- und sich selbst freizuhalten von jeglicher Korruption und Falschheit.«
Diese Anliegen können wir nicht an Gott zurückdelegieren.
Wir selbst sind dran.