samedi 25 février 2012

Eine neue Zeitrechnung

In jenen Tagen erging ein Erlass vom Kaiser Augustus, den ganzen Erdkreis aufzeichnen zu lassen. Diese Aufzeichnung geschah als Quirinius Statthalter von Syrien war...

So lesen wir zu Beginn des 2. Kapitels des Lukasevangeliums. Zu Beginn des 3. Kapitels lesen wir:

Im fünfzehnten Jahr der Regierung des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter von Judäa war und Herodes Vierfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Vierfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Vierfürst von Abilene, unter dem Hohenpriester Hannas und Kaiphas...

Das ist der Stil der »alten« Geschichtsschreibung. Die Zeit wird von Männern bestimmt, von römischen Kaisern und Statthaltern, von Fürsten und Hohenpriester usw. Es ist zugleich die Zeit der Unterdrückung und des unerträglichen Steuerdrucks, der Hofintrigen und der religiösen Machtkämpfe.

Innerhalb dieser »herrschenden« Zeit, sieht der Evangelist Lukas eine andere Zeit heraufziehen. Sie nimmt auf andere Ereignisse und Gestalten Bezug. Es ist die Zeit, in der Elisabet schwanger wird. Im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft wird der Engel Gabriel nach Nazaret zu Maria geschickt, um auch ihr eine Schwangerschaft anzukündigen. Nach neun Monaten kommt für Elisabet die Zeit der Niederkunft, sie bringt ihren Sohn zur Welt... Schliesslich kommt auch für Maria die Zeit ihrer Niederkunft… Und wieder treten Engel auf, und bärbeissige Hirten machen sich auf den Weg...

Die Zeit der »Herrscher« ist vorüber. Angekündigt hat sich definitiv eine neue Zeit und eine neue Zeitrechnung; sie wird von Engeln und schwangeren Frauen geprägt, von bekehrten Männern und Hirten gedeutet, vom Gottsucher Simeon und der alten Prophetin Hanna besungen...

Hermann-Josef Venetz


samedi 18 février 2012

Keine Chance


Keine Chance

(Markus 6,1-6)

Jesus hatte nicht die geringste Chance, als er in der Synagoge seines Heimatortes Nazaret auftrat.


„Den kennen wir doch!“

„Der war doch einmal Hilfsarbeiter bei…“

„Seine Mutter, seine Brüder und Schwestern – auch nichts Besonderes.“

„Was will denn der? Von dem ist eh nichts zu erwarten.“

Und die Leute liessen sich nicht bewegen. Der Evangelist Markus hält fest: Er konnte dort keine einzige Machttat tun...

Keine Chance haben bei uns viele Menschen, weil wir meinen sie zu kennen, weil wir von ihnen nichts mehr erwarten, weil sie für uns nichts Besonderes sind. So geht es vielen Ehepartnern, vielen so genannten Freundinnen. Sie haben uns nichts mehr zu sagen; sie können uns auch nichts sagen, weil wir nicht hinhören und weil wir uns nicht bewegen lassen.


Keine Chance hat bei uns auch Gott oder das, was wir „Gott“ nennen. Nachdem man uns in Sonntagspredigten immer wieder haargenau sagte, wer Er ist und wie Er ist und was wir zu tun haben, wird Er für uns kaum noch eine Überraschung bereit halten.

„Was will denn der?!“

„Den kennen wir doch!“

„Nichts als fromme Sprüche!“

„Da ist nichts zu erwarten!“


Wir haben Ihn in Stein gemeisselt und auf Papier gebracht. Er wird an uns keine Machttaten tun. Er wird uns kaum bewegen.

Hermann-Josef Venetz

samedi 11 février 2012

Das Grosse Los (Matthäus 13,44)

Ein Tagelöhner pflügt auf dem Acker seines Arbeitgebers. Plötzlich sinkt der Pflug ein. Ein merkwürdiges Geräusch. Der Tagelöhner sieht nach: eine Schatztruhe! Jemand hat sie vor urdenklicher Zeit in diesen Acker in Sicherheit gebracht, aber aus unerfindlichen Gründen ist sie dann in Vergessenheit geraten. Was tut der Tagelöhner? Er fragt weder nach Recht noch nach Moral; er schüttet den Schatz wieder zu, damit niemand anderer ihn findet. Trunken vor Freude geht er hin und verkauft alles, was er besitzt, damit er flüssiges Geld genug hat, um den Acker zu kaufen und so in den Besitz des Schatzes zu kommen.

Jesus sagt: So ist es mit dem Reich Gottes.

Die Lehre der Geschichte? Sicher nicht die moralisierende: Auch du musst alles dran geben, wenn du an den Schatz des Gottesreiches herankommen willst.

Auch nicht die typisch schweizerische: Wie viel von dem Schatz muss ich wohl versteuern?

Biblische Geschichten wollen uns nicht sagen, was wir zu tun haben. Was wir zu tun haben, wissen wir (meistens) selbst. Biblische Geschichten wollen uns zuerst sagen, wie es um uns steht. Das Gleichnis will uns sagen: "Freu dich! Du hast das Grosse Los gewonnen! Du kannst ein neues Leben beginnen! Pack zu!"

Hermann-Josef Venetz