samedi 2 novembre 2013

Gott verzeihen?




 Neulich las ich irgendwo diesen überraschenden Satz:
Stilvoll leben heisst, verzeihen können:
den Mitmenschen,
sich selber,
Gott.

Klingt beim ersten Hören gut. Und doch...

Beim Wort ‚verzeihen’ denken wir daran, wie sehr wir selber Verzeihung nötig haben und Gott und einander immer wieder um Verzeihung bitten müssen. Von Gott wissen wir, dass er sich in der Bibel wiederholt vorstellt als der grosse Verzeihende, „gnädig, barmherzig, langmütig, voll Huld und Treue“ (vgl. Ex 34,6-7). 
 
Jesus stellt seinen Jüngerinnen und Jüngern diesen Gott als Vorbild hin: Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ (Lk 6,36) Damit gibt er auch das Mass der Barmherzigkeit an, mit der wir einander begegnen sollen.  
Nach dem oben zitierten überraschenden Satz gehört zum stilvollen Leben auch die Kunst, sich selbst zu verzeihen. Ob das unter Umständen nicht noch schwieriger ist? Es geht dabei nicht um Bagatellen, durch die wir uns vor anderen blamierten und auch nicht darum, dass wir enttäuscht sind, wenn wir den Erwartungen, die wir gegenüber uns selbst haben, nicht gerecht werden. Entscheidend ist, dass wir zu den eigenen Fehlern und zum eigenen sündhaften Ich stehen. Es geht um ein echtes Barmherzigsein uns selbst gegenüber: dass wir uns so annehmen, wie wir sind und dass wir uns selbst die Chance einräumen, von neuem zu beginnen. Dass wir mit uns so umgehen, wie Gott mit uns umgeht: „gnädig, barmherzig, langmütig, voll Huld und Treue“.

Aber ist es möglich oder sinnvoll oder überhaupt denkbar, dass wir Gott verzeihen? Es ist doch so, dass wir oft und oft, zu Recht oder zu Unrecht, ausgesprochen oder unausgesprochen für die ganze Misere in der Welt Gott verantwortlich machen und ihn als den Schuldigen hinstellen. Für die Erdbeben, die Hungersnöte, das schreckliche Leiden so vieler Menschen muss doch jemand die Verantwortung übernehmen. Und wer sollte es denn sein, wenn nicht Gott? Menschen sind zu so viel Ungerechtigkeit und so viel Zerstörung gar nicht fähig – so meinen wir.

Vielleicht sind diese Gedanken völlig abwegig wie so vieles abwegig ist, was wir über Gott denken. Aber spielen wir doch mal diesen Gedanken durch: Gott verzeihen. Hiesse das dann nicht, dass wir ihn trotz aller ‚Fehler’ und ‚Schwächen’ so annehmen, wie er ist; dass wir ihm die Chance einräumen, immer wieder von neuem zu beginnen; dass wir mit ihm so umgehen, wie er mit uns umgeht: „gnädig, barmherzig, langmütig, voll Huld und Treue“?

 Hermann-Josef Venetz

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