samedi 23 février 2013

   Ein König muss her! (1 Samuel 8)


Die Stämme Israels wollten unbedingt einen König haben

Der Einspruch der Propheten: Gott ist doch euer König, konnte nicht befriedigen. Dieser Gott, von dem wir nicht einmal ein Bild haben, nicht einmal den Namen wissen, der keine Armee, keinen Beamtenstab und kein Harem hat, soll König sein?

Wie der Wunsch nach einem König zu deuten ist, hat Gott durchschaut und er teilte es dem Propheten Samuel mit: Nicht dich haben sie verworfen, sondern mich: Ich soll nicht mehr ihr König sein.

Aus der Geschichte Israels wissen wir, dass das Königtum kläglich gescheitert ist: 722 v.Chr. ist das Nordreich, 587 das Südreich untergegangen; die Könige wurden gefangen genommen und deportiert.

Der Ruf nach einem König wird immer wieder laut. Zwar passt in unsere Schweiz ein »König« nicht besonders gut, aber so etwas wie ein »starker Mann« oder eine »starke Frau« käme uns ab und zu doch sehr gelegen.

In den Evangelien heisst es von Jesus von Nazaret, er sei ein König. Aber wie? Wenn die Evangelisten von Jesus als einem König sprechen, führen sie ihre Leserinnen und Leser entweder vor den ärmlichen Futtertrog, in dem ein obdachloses Kind liegt (Lukas 2,1-14), oder vor das Kreuz, an dem ein junger Mann den Sklaventod stirbt (Markus 15,23-32), oder vor die Scharen von Hungernden, Dürstenden, Nackten, Gefangenen, Fremden, mit denen sich der König Jesus identifiziert (Matthäus 25,31-46).

Hermann-Josef Venetz.


samedi 16 février 2013

Bild:
Fr Maximino Cerezo Barredo 
Kein Wunder-Gott

Es sind Gedanken, die alles durcheinanderbringen. Da kommt der Diabolos, der Durcheinanderbringer, und flüstert in der Wüste dem hungernden Jesus zu:
- Wenn du der Sohn Gottes bist, dann mach, dass diese Steine Brot werden. Gott kann sich doch diesem deinem Anliegen nicht verschliessen; du bist doch sein Sohn.
- Wenn du der Sohn Gottes bist, dann stürz dich hinab von der Zinne des Tempels. Das würde Eindruck machen, und die Leute müssten endlich glauben. Dein Gott wird dich bestimmt beschützen, so steht es in der Bibel. Und du bist doch sein Sohn.

Wie wir uns den Diabolos oder den Teufel oder den Satan auch immer vorstellen – schwarz, gehörnt, mit Bocksfuss oder was auch immer – eines ist sicher: seine Gedanken oder Vorstellungen von Gott sind von unseren gar nicht so weit entfernt. Gott muss einfach allmächtig sein; das ist das Wichtigste. Und wenn er allmächtig ist, muss er doch Wunder wirken können. Und wenn er nicht Wunder wirken kann, ist er auch nicht allmächtig, und wenn er nicht allmächtig ist, ist er auch nicht Gott. So einfach und so „logisch“ ist das.

Diese „Logik“ ist es, die alles durcheinanderbringt. Vielleicht haben wir alle irgendwo im Innersten den Wunsch, selbst allmächtig zu sein. Wenn wir das aber zu Ende denken, wird die Welt zum Chaos; oder die andere Möglichkeit: jeder und jede hätte dann die Welt, die nach seiner oder ihrer Geige tanzt. Denn jede und jeder von uns hat ihre eigene Geige.

Stellen Sie sich vor, Ihr Partner oder Ihre Partnerin wäre allmächtig. Nicht auszudenken!

Jesus kennt den Namen Gottes. Er lautet: ICH BIN DER, DER MIT DIR GEHT. Jesus setzt in seinem Hunger in der Wüste nicht auf Wunder und nicht auf einen allmächtigen Gott, sondern auf einen Gott, der liebend mit ihm geht – selbst bis in den Tod.

Hermann-Josef Venetz

samedi 9 février 2013

Mit dem Rücken gegen das Volk


Die Tatsache dass hier und dort wieder die lateinisch-tridentinische Messe gefeiert und dazu in Zeitungen auch eingeladen wird, charakterisiert den heutigen Gesamttrend der römisch-katholischen Kirche. Zur Erinnerung: Vor dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-65) hatten die Eucharistiefeiern (Messen) in den römisch-katholischen Kirchen überall das gleiche Gesicht. Der eigentlich Feiernde war der Priester; er stand mit dem Rücken gegen das Volk; die Sprache war latein mit Ausnahme des Evangeliums und der Predigt.
Wer heute für die vorkonziliare Messe plädiert, muss alle möglichen Begründungen aus der Mottenkiste herausholen: Die Gebetsrichtung müsse für alle die nach Osten sein, »zur aufgehenden Sonne hin als dem Symbol für den auferstandenen Herrn«  – als ob der auferstandene Herr in Richtung Sonne zu suchen sei und nicht eher in Richtung der mitfeiernden Gemeinde, von der Paulus sagt, sie sei der leibhafte Messias (vgl. 1 Kor 12). Und als ob das Reich Gottes, das es zu suchen gilt, im Osten zu finden sei und nicht viel mehr »mitten unter euch«, wie Jesus im Lukasevangelium sagt (vgl. Lk 17,21).
Wer dem Volk den Rücken kehrt und eine Sprache spricht, die niemand versteht, missachtet es.
Damit geht die bewusste Entmündigung  einher. „Die Kommunion“ – so heisst es in der Einladung zur lateinisch-tridentinischen Messe weiter – „wird kniend auf den Mund empfangen“, wie man eben kleinen Kindern den Brei einlöffelt. Dabei sollen sie sich erst noch »freuen… über die Vielfalt, die uns die Liturgie bietet… „So weit kommt es noch: dass wir uns über den herablassenden Umgang des Klerus mit den Laien freuen sollen. Und dann heisst es schönrednerisch: „… die Messe soll die Menschen einen und nicht spalten. Es ist genau die Einheit, die man sich in klerikalen Kreisen wünscht: schweigen, gehorchen, sich ducken.
Und das soll Kirche sein?
Hermann-Josef Venetz

samedi 2 février 2013

 

Antiochia

In der Apostelgeschichte 13,1-3 lesen wir folgende Notiz:

 In der Gemeinde zu Antiochia gab es Propheten und Lehrer: Barnabas und Simeon, genannt Niger, Luzius von Kyrene, Manaën, ein Jugendgefährte des Tetrarchen Herodes, und Saulus.
Als sie einmal Gottesdienst feierten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Wählt mir Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie mir berufen habe.  Darauf fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen.

Das syrische Antiochia, von dem hier die Rede ist, war damals nach Rom und Alexandria die drittgrösste Stadt des Römischen Reiches. Bunt war die Stadt mit den vielen Zugewanderten aus allen Ländern und Kulturen. Wirtschaftlich blühend war sie, wobei die vielen Armen nicht zu übersehen waren.
Ähnlich bunt wie die Stadt war auch die christliche Gemeinde, die hier im Umfeld der jüdischen Synagoge entstand. Aus der obigen Notiz lässt sich das gut entnehmen: Barnabas war ein Levit aus Zypern, der Jude Simeon muss als Schwarzer irgendwo aus Nordafrika gebürtig gewesen sein, Lucius stammte aus Kyrene, Manaën war ein Jugendgefährte des Tetrarchen Herodes, Saulus stammte aus Tarsus und war in Jerusalem der Bewegung der Pharisäer beigetreten. Das heisst, wir haben es hier mit einer völker- und kulturübergreifenden Gemeinde zu tun.
Und als solche trat sie auch in Erscheinung. Das Evangelium von Jesus, dem Messias sollte nicht nur Jüdinnen und Juden verkündet werden, sondern unterschiedslos allen Menschen, und alle Menschen sollten auch unterschiedslos in der Gemeinde Platz finden. Zu diesem Werk beauftragte die Gemeinde Barnabas und Saulus. Kirche darf ihrer Überzeugung nach nicht eine heimelige Nische sein, in der man sich wohl fühlt und wo man nett ist zueinander. Kirche steht vor allem für die entschränkte Liebe Gottes. Sie gilt allen, den Nächsten wie den Fernsten. Entschränkend ist sie und grenzüberschreitend und allumfassend. Das gilt auch für die heutige Kirche. Auch für die Kirche hier in der Schweiz.   
Hermann-Josef Venetz

samedi 26 janvier 2013

Hier Bekenntnis – dort Liebe?


 Den Konflikt gibt es schon im Neuen Testament. Im Namen des Bekenntnisses werden Leute, die nicht zum Bekenntnis stehen, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Zur Gemeinde gehören nur diejenigen, die dem Bekenntnis zustimmen; wer dem Bekenntnis nicht zustimmen will oder kann, soll die Konsequenzen ziehen und die Gemeinschaft verlassen. Das ist logisch; dagegen ist nichts einzuwenden. Wer nicht bereit ist, sich zum Messias Jesus zu bekennen,  soll sich auch nicht Christ oder Christin nennen. Das Bekenntnis hat so immer auch ausgrenzenden Charakter.
 So »logisch« dieser Sachverhalt auch ist, er birgt ein schmerzhaftes Paradox in sich, sobald es sich um die christliche Gemeinschaft handelt. Das Bekenntnis bekennt doch jenen Messias Jesus, der gerade niemand von seiner Liebe ausschliessen will; das Verhalten Jesu und unzählige seiner Gleichnisse machen das deutlich. Andererseits laufen diejenigen, die allein auf die Liebe setzen, Gefahr, jenen konkreten Jesus von Nazaret zu vergessen, der die Gemeinschaft zusammenhält.

 Wahrscheinlich ist dieses Paradox oder diese Spannung gar nicht aufzuheben – weder durch eine grössere Liebe noch durch ein »verschärftes« Bekenntnis. Vielleicht ist das ein Hinweis dafür, dass wir christliche Gemeinschaft d.h. Kirche nicht einfach »machen« können. Gott ist immer grösser als das Bekenntnis, grösser auch als die menschliche Liebe und grösser auch als jede christliche Gemeinde.

 Vor die Alternative gestellt (die vielleicht gar keine ist), ob ich dem Bekenntnis oder der Liebe den Vorzug geben würde, möge man mir verzeihen, wenn ich eher der Liebe zuneige. Im Namen des »Bekenntnisses« ist nach meinem Geschmack im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende zu viel Blut geflossen (Religionskriege, Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverbrennungen), sind Leute allzu sehr malträtiert worden (Redeverbote, Publikationsverbote, Exkommunikationen, geistige Vergewaltigungen, Zwangsbekehrungen).

 Hie und da bin ich versucht, mich zu fragen, ob Jesus nicht auf das Bekenntnis verzichten würde, wenn dadurch mehr Menschen am Leben blieben...
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 Hermann-Josef Venetz

samedi 19 janvier 2013

Das Grosse Anliegen Jesus

Dass Menschen heil und ganz werden.

Jesus wollte nicht als Wundertäter gelten; für ihn stand im Zentrum das Kommen Gottes. Darum setzte er alles daran, dass die Menschen heil – oder wie die Bibel auch sagt: ganz – werden. Denn Gott meint immer den ganzen Menschen. Dazu gehört auch die Gemeinschaft.
Jesus war nicht auf die Krankheit fixiert, die es um jeden Preis zu heilen gilt, auch nicht auf das Individuum, das sich um Hilfe bittend an ihn wendet. Die erste Heilung, von der das erste Evangelium berichtet, erzählt von einem Mann, der besessen war – von was für Mächten, Zwängen, Vorschriften und Einengungen auch immer. Der Mann konnte einfach nicht er selbst sein; er musste nach zu vielen Geigen tanzen. So jemand ist nicht heil, nicht ganz, nicht er selbst. Jesus liegt alles daran, dass Menschen sie selbst das heisst frei sein können, weil sie nur als freie Menschen zur Gemeinschaft und zur Liebe fähig sind. Und darum geht es doch, wenn Gott wirklich im Kommen ist (Markus 1, 21-28).

Wenig später erzählt Markus von einer Frau, die während zwölf Jahren an Blutungen litt. Was sie krank machte und im Innersten tief verletzte war nicht ihr körperliches Gebrechen, sondern die Tatsache, dass sie dieses Gebrechens wegen von der Gesellschaft ausgeschlossen war. Jemand, der aus der Gesellschaft ausgeschlossen ist, kann nicht heil sein, kann kein ganzer Mensch sein. Markus erzählt, dass die Frau dadurch heil geworden sei, dass sie Jesu Gewand berührt habe. Es scheint aber, als ob Jesus das nicht gelten lassen wollte. Er wollte nicht eine Heil-Maschine sein und die Frau sollte nicht zu einem Heilungs-Objekt degradiert werden. Er wollte diese Frau sehen, ihr gegenüber stehen; er wollte sie ansprechen und sie sollte mit ihm reden können, sie sollte sie selbst sein, und zwar inmitten jener Leute, zu denen sie doch gehörte (Markus 5,25-34).


In der nächsten Szene steht Jesus vor der verstorbenen Tochter des Jairus. Jesus kennt keine Berührungsängste, weder gegenüber einer Frau noch gegenüber einer Toten: Er nahm sie bei der Hand und sagte ihr: Steh auf! Wenn es um Leben und Sterben geht, kennt Jesus keine Tabus. Da gibt es nur noch Nähe. Und was noch (fast) rührender ist: Er sagte zu den Staunenden, man solle ihr zu essen geben. Echter kann man sich die Einweisung ins Leben, die Einweisung in die Gemeinschaft, in das Ganz-Sein kaum noch vorstellen (Markus 5,35-43).
Hermann Josef Venetz

samedi 12 janvier 2013

Erhobene Arme



 

Die Geschichte ist uns bereits in unseren Schulbibeln in sehr einprägsamen Bildern vor Augen geführt worden. Israel musste sich gegen die stark bewaffneten Amalekiter zur Wehr setzen. Mit der Kriegsführung auf Seiten der Israeliten wurde Josua beauftragt. Mose hatte anderes zu tun. Er ging auf den Berg und erhob seine Arme. Der Erzähler berichtet: Solange Mose seine Arme erhob, behielten die Israeliten die Oberhand; wenn aber Mose die Arme sinken liess, gewannen die Amalekiter die Oberhand. Als Mose die Arme zu schwer wurden, brachten Aaron und Hur einen Stein, damit Mose sich draufsetzen konnte; dann stützten sie seine Arme, der eine auf dieser, der andere auf der anderen Seite. So blieben seine Arme erhoben bis zum Sonnenuntergang. Und Josua besiegte die Amalekiter... (Exodus 17)

Die Geschichte will zeigen, was unablässiges Gebet vermag – so wurden wir gelehrt. Und das ist wohl richtig so. Ob das aber alles ist, was uns diese Geschichte sagen will? Vom Beten ist in unserer Erzählung eigentlich nicht die Rede. Gott selber kommt erst am Schluss der Erzählung vor, wenn er Mose den Auftrag gibt dieses in ein Buch zu schreiben.

Die Erzählung liegt in der Linie anderer Erzählungen im Alten Testament, nach welchen das Gewaltmonopol nicht bei den Menschen liegt, auch nicht bei den Heeren und Königen, auch nicht bei heiligen Männern wie Mose. Das Gewaltmonopol liegt einzig und allein bei Gott – das möchten die Erzählungen uns nahebringen.

Und das ist wohl auch der Grund, warum uns der Gott des Alten Testamentes hie und da so blutrünstig und gewalttätig vorkommt. Es ist, als ob er sagen würde: Es ist mir lieber, ich werde von den Menschen als blutrünstig und gewalttätig hingestellt, als dass sie einander umbringen. Der Krieg darf nie ein Mittel der Politik werden. Und wenn wir meinen, es gehe doch nicht anders, sollen gerade die Verantwortlichen es damit versuchen, die (unbewaffneten) Arme zu erheben; und wir sollen sie dabei unterstützen.

Bevor wir militärische Interventionen der UNO oder der EU oder der NATO in bürgerkriegsbedrohten Gegenden wie Syrien und wo auch immer gutheissen oder gar bejubeln, sollten wir uns fragen, ob es denn richtig ist, Gott das Gewaltmonopol zu entreissen – noch nie haben Menschen damit gute Erfahrungen gemacht! – und ob unsere Arme lange genug erhoben waren.

Hermann-Josef Venetz