samedi 6 octobre 2012

Fairness ökumenisch

 Leute, die sich für die Wahl in ein politisches Amt zur Verfügung stellten, kamen überein, einen »fairen« Wahlkampf zu führen. Sie verpflichteten sich, in ihren Wahlreden ihr politisches Gegenüber nicht herunterzumachen, sondern einzig über Sachprobleme zu reden und so die eigenen Vorzüge ins gute Licht zu stellen. Die Beteiligten selbst fanden die Abmachung eine gute Sache. Jeder und jede konnte sich zum Studium der Sachfragen Zeit nehmen, niemand brauchte im Vorleben der Kontrahenten herumzuwühlen, alle konnten sich auf die eigenen Vorzüge besinnen und sich ihrer freuen. Der »Wahlkampf« war nicht flauer als sonst oder anderswo; im Gegenteil. Nach geschlagener »Schlacht« gab es zwar auch Verlierer – damit war zu rechnen; aber es gab keine Verletzte. Alle konnten sich aufrichtig in die Augen schauen und einander die Hand reichen. 
 
 Eine ähnliche Fairness wünschte ich den Leitungsgremien der römisch-katholischen Kirche. Gewiss soll die Kirche Profil zeigen – aber nicht dadurch, dass sie die andern ignoriert. Gewiss soll die Kirche ihre Vorzüge ins gute Licht stellen – aber nicht dadurch, dass sie die anderen in den Schatten oder gar ins Dunkel stellt. Gewiss soll die Kirche auf die vielen Heilsgüter aufmerksam machen, mit denen sie begnadet ist – aber nicht dadurch, dass sie den anderen ihre Mängel aufrechnet. Keine Kirche hat es nötig, sich auf Kosten anderer zu profilieren.

 Die Geschichte lehrt es uns: Wie oft mussten »die Juden« und »die Heiden« schon zu Beginn der christlichen Verkündigung als Bösewichte hinhalten, nur damit Jesus umso strahlender herauskommt. Solche Negativ-Folien waren und sind der Keim des Antijudaismus. Jesus braucht keine Negativ-Folien, um besser dazustehen.

 Von Jesus lesen wir, dass er sogar den Sünderinnen und Zöllnern und den sogenannten Heiden zum Bruder wurde, ohne ihnen ihre Mängel vorzuhalten. Ist es da von seiner Kirche zu viel verlangt, dass sie den christlichen und anderen religiösen Gemeinschaften zur Schwester wird, ohne sie an ihre »schwer defizitäre Situation« zu erinnern? 
 
Je mehr wir die Werte und den Reichtum der anderen entdecken und anerkennen und fördern, desto mehr können wir uns der eigenen Vorzüge erfreuen – und umgekehrt.

 Hermann-Josef Venetz

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