samedi 13 octobre 2012

»Sie soll predigen, nicht politisieren! «



Ein Zürcher Politiker – er sagt von sich selbst in einem Interview, er sei »eigentlich ein sehr christlicher Mensch« – ist aus der Kirche ausgetreten. Grund dafür ist unter anderem die Tatsache, dass sich die Kirche »für Menschen einsetze, die der Gesellschaft nichts Produktives zurückgäben«. Dadurch, dass die Kirche sich beispielsweise gegen die  Ausschaffungsinitiative  oder für die Sans-Papier einsetze, habe sie sich »politisch positioniert«. Sie habe zu predigen und nicht zu politisieren.
Diese Auffassung, die man nicht selten gerade bei »eigentlich sehr christlichen Menschen« findet, veranlasst mich zu einer Feststellung und zu einer Frage.
Die Feststellung ist diese: Jesus stand den damaligen sozialen und politischen Verhältnissen keineswegs neutral oder blauäugig gegenüber. Bereits zu Beginn seiner ersten grossen Predigt betonte er, dass Gott ihn gesandt habe, den Armen gute Nachricht zu bringen, den Gefangenen Freiheit anzusagen, den Misshandelten aufzuhelfen und das Jahr auszurufen, in dem alle von ihren Schulden befreit werden sollen (Lk 4). Die Armen und die Leidenden hatten für Jesus absolute Priorität.
Und gerade dadurch erweist er sich als der Sachwalter Gottes. Gott stellte sich dem Mose am brennenden Dornbusch nicht als »höchstes Wesen« vor, sondern als jener Gott, der das Elend seines Volkes in Ägypten gesehen und ihre Klagen über die Unterdrücker gehört hat und  nicht mehr an sich halten konnte. Und er schickte Mose, dieses Befreiungswerk durchzuführen (Ex 3). Für Gott selbst haben die Armen und Unterdrückten seit jeher absoluten Vorrang. Ja, er ist wesentlich der Gott der Armen.
Die Frage, die ich mir stelle ist die: Worüber hätte denn Jesus »predigen« sollen, worüber sollten denn heute die Kirchen »predigen«, wenn nicht über dieses uralte Anliegen Gottes: dass die Menschen von ihrer Armut und Unterdrückung befreit werden?
Wer die Politik aus der christlichen Verkündigung herausnehmen will, übt Verrat an den Armen – und damit auch Verrat am Anliegen Gottes.
Hermann-Josef Venetz

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