dimanche 7 septembre 2014

11.09.2014

Man erinnert sich: Es war der Tag der schrecklichen Terroranschläge auf die Türme des World Trade Centers in New York City und auf das Pentagon in Arlington. Die Anschläge töteten mindestens 2989 Menschen. Nicht nur die USA, die ganze Welt stand unter Schock. Noch heute sprechen die Medienfachleute von einem ‚Ereignis, das die Welt verändert’, von einem ‚Datum, das sich der Menschheit eingeprägt hat’.
Man erinnert sich kaum mehr: Zeitgleich mit den Bildern und Kommentaren über die entsetzlichen Terroranschläge erreichte uns der UNO-Bericht über den Hunger in der Welt. Fast eine Milliarde Menschen (826 Millionen) leiden an Unterernährung. Viele Tausende sterben jährlich an Hunger und Armut und mangelnder medizinischer Versorgung. Freilich, gegenüber dem, was an Schrecklichem in New York und Washington passierte, ist das nicht erwähnenswert. Es ist auch nichts Besonderes. Es ist das Normale. Das Gewöhnliche. Das Alltägliche. Menschen, die Hungers sterben – mögen es täglich weltweit Tausende sein – werden auf den Titelseiten unserer Zeitungen nie einen hervorragenden Platz finden. Für sie läuten auch keine Kirchenlocken. Für sie wird auch nie eine Gedenkminute eingelegt. Um sie trauert niemand – wenigstens nicht in unseren Breitengraden.
Wir beklagen zu Recht und mit bewegten Worten die Opfer des Terrors, der ganz neue Dimensionen angenommen hat. Von den viel zahlreicheren Opfern der Ungerechtigkeit und der Umweltzerstörung spricht kaum jemand.
Über Terror und Krieg lässt sich trefflich diskutieren. Sachverständige gibt es viele. Und die Rollen sind klar verteilt: es gibt die Guten und die Bösen. Bei den Themen ‚Ungerechtigkeit’ und ‚Hunger’ in der Welt ist das so eine Sache. Reden wir lieber nicht davon.
Hermann-Josef Venetz

samedi 30 août 2014

Kein Pardon?

Der Artikel, in dem ein christlicher Politiker für ein NEIN zur Ausschaffungsinitiative warb, trägt den Titel »Kein Pardon für kriminelle Ausländer«. Damit wollte er den Befürwortern der Initiative den Wind aus den Segeln nehmen: Als Gegner der Initiative könnte er ihr durchaus beipflichten, wenn es nur darum ginge, »kriminelle Ausländer« auszuschaffen; diese verdienten nämlich in der Tat »kein Pardon«.

Ungefähr zur gleichen Zeit entbrannte in manchen Gegenden eine ziemlich heftige Diskussion zu einem scheinbar ganz anderen Thema: Haben in einem liberalen Staat Kreuze oder Kruzifixe auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Gebäuden und Schulen überhaupt ihre Berechtigung? Sollten diese betont christlichen Zeichen nicht im Namen der Religionsfreiheit beseitigt werden? Für die Beibehaltung dieser Kreuze setzten sich hauptsächlich christliche Politiker engagiert ein, nicht zuletzt jene, für die es »Kein Pardon für kriminelle Ausländer« gibt. Ich finde dieses Engagement recht seltsam, wenn nicht gar paradox an. Müsste denn wer »Kreuz« sagt, nicht auch »Pardon« sagen?

Oder auch so: Wo es kein Pardon gibt – auch für kriminelle  Ausländer! – da hat das Kreuz seine Berechtigung und seinen Sinn tatsächlich  verloren.

Hermann-Josef Venetz



mercredi 20 août 2014


Abraham

Die Sache mit Abraham begann so:
Und der Ewige sprach zu Abram: Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde! Und ich will dich zu einer großen Nation machen, und ich will dich segnen, und ich will deinen Namen groß machen, und du sollst ein Segen sein! ... und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!
Und Abram ging hin, wie der Ewige zu ihm geredet hatte…(Genesis 12,1-3)
Abram oder Abraham steht also nicht für sich allein; er hat einen Auftrag und eine Verheissung für alle Völker, für alle Geschlechter der Erde. Abraham ist auch nicht nur eine Gestalt des Alten oder Ersten Testaments. Im Neuen Testament kommt der Name Abraham  nicht weniger als 72 (!) mal vor. (Das ist mehr als doppelt so oft wie der Name der Maria, der Mutter Jesu).
Als Gott in das Leben des Mose trat, stellte er sich so vor: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs... Man beachte: Gott trägt den Namen von Menschen. Auf seiner Visitenkarte stehen Namen wie Abraham, Isaak und Jakob – und man könnte weiterfahren Sara, Rebekka, Hagar und und und.
Bereits im ersten Vers des Neuen Testaments (Matthäus 1,1) ist die Rede von Jesus Christus,... dem Sohn Abrahams.
Die zusammengekrümmte Frau, die in der Synagoge geheilt wird, ist für Jesus eine Tochter Abrahams (Lukas 13,10-17); der von allen gemiedene Oberzöllner Zachäus ist für Jesus ein Sohn Abrahams (Lukas 19,1-10). Die auf den Messias Jesus Getauften in Galatien gehören dem Messias Jesus an und sind Söhne und Töchter Gottes und als solche auch Nachkommen Abrahams und Erben der Verheissung. (Galater 3,26-29)
Wir könnten noch lange weiterfahren. Ich bin zur Überzeugung gelangt: Wer von Gott spricht, spricht von Abraham, Isaak und Jakob, von Sara, Lea, Rebekka und Hagar, von Mose und Mirjam, von Simeon und Hanna, von der zusammengestauchten Frau und vom Oberzöllner Zachäus, von Paulus und Klara, von dir und von mir.
Hermann-Josef Venetz

dimanche 17 août 2014

Verflucht, wer das Recht der Fremden beugt!’

Diesen erschreckenden Ausspruch fand ich im Buch Deuteronomium (27,19; 24,17), in der Heiligen Schrift also, einer der Grundlagen nicht nur unseres Glaubens, sondern auch unserer Kultur.
Ich las dann noch etwas weiter und war einmal mehr erstaunt, wie oft in der Bibel von den Fremden und Flüchtlingen die Rede ist. Hier nur das eine oder andere Beispiel:
• ‚Du sollst einen fremden Untertan, der vor seinem Herrn bei dir Schutz sucht, nicht seinem Herrn ausliefern. Bei dir soll er wohnen dürfen, in deiner Mitte, in einem Ort, wo es ihm gefällt. Du sollst ihn nicht ausbeuten.’ (Deuteronomium 23,16-17)
• ‚Euer Gott liebt die Fremden und gibt ihnen Nahrung und Kleidung – so sollt auch ihr den Fremden Gutes tun, denn ihr seid Fremde in Ägypten gewesen.’ (Deuteronomium 10,18-19)
• ‚Liefere die Flüchtlinge nicht aus, wenn sie in Not sind!’ (Obadja 1,14)
Am rührendsten finde ich das Gebet, das König Salomo anlässlich der Tempelweihe gesprochen hat:
Auch Fremde, die nicht zu deinem Volk gehören, werden kommen, um hier zu beten. Höre sie und tu alles, weswegen die Fremden zu dir rufen.’ (1 Könige 8,41-43)
Wie schwer tun wir uns mit Anschauungen, die doch seit mehr als zweitausend Jahren zu unserem Kulturgut gehören.

Hermann-Josef Venetz


samedi 31 mai 2014

Worauf es ankommt




Ab und zu muss ich mir die Frage stellen: Worum geht es eigentlich in meinem Leben? Wofür bin ich überhaupt da? Was ist für mich das Wichtigste, das Entscheidende? Worauf kommt es an?

Dieser Frage muss sich auch jede Gruppierung stellen, jeder Verein, jede Partei, jede Kirche, auch die UNO und die EU. Und diese Frage stellt sich immer wieder. Dazu eignen sich – je nach dem – besondere Anlässe wie Einkehrtage, Exerzitien, Gedenktage, Klausurtagungen, Wahlen, Geburtstage. Denn sowohl für einzelne wie für Partnerschaften oder Gruppierungen jeglicher Art gelten die Gesetze der Routine, der Gewöhnung und der Abnutzung. Was einmal als wesentlich angesehen wurde, verliert im Laufe der Zeit seinen Glanz, zersplittert in Einzelheiten und Nebensächlichkeiten, verblasst im Formelhaften und im Kreisen um sich selbst.

Es war und ist vor allem die Aufgabe der Propheten und Prophetinnen, auf das Ursprüngliche, das Wesentliche, das Eigentliche aufmerksam zu machen.
Hier das eine oder andere Beispiel aus den ältesten Schriftpropheten des Alten Testaments.

Der Prophet Amos – er lebte um 750 vor Christus – verkündete dem Volk, das meinte mit Opfern und Feiern dem Auftrag des Ewigen Genüge zu tun:
Ich hasse eure Feste, ich verabscheue sie und kann eure Feiern nicht riechen… Ich habe kein Gefallen an euren Gaben, und eure fetten Heilsopfer will ich nicht sehen. Weg mit dem Lärm deiner Lieder! Dein Harfenspiel will ich nicht hören, sondern das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.( 5,21-24)
Das ist es, worauf es ankommt.

Michaer wirkte um 720 vor Christus – nimmt zuerst die Fragen der Gottsucher auf:
Womit soll ich vor den Ewigen treten, wie mich beugen vor dem Gott in der Höhe? Soll ich mit Brandopfern vor ihn treten, mit einjährigen Kälbern? Hat der Ewige Gefallen an Tausenden von Widdern, an zehntausend Bächen von Öl? Soll ich meinen Erstgeborenen hingeben für meine Vergehen, die Frucht meines Leibes für meine Sünde?

Und der Prophet antwortet gleich selbst:
Es ist dir gesagt worden, Mensch, was gut ist und was der Ewige von dir erwartet: Nichts anderes als dies: Recht tun, Güte und Treue lieben und besonnen den Weg gehen mit deinem Gott. (6,6-8)
Das ist es, worauf es ankommt
 
Hoseaein Zeitgenosse des Micha – bringt es auf den Punkt mit dem Wort, das der Evangelist Matthäus (9,13; 12,7) Jesus gleich zweimal in den Mund legt:
Güte gefällt mir – nicht Schlachtopfer,
Gotteserkenntnis – nicht Brandopfer. (6,6)


Das ist es, worauf es ankommt.
 
 Hermann-Josef Venetz

samedi 24 mai 2014

Komm heute noch!


 Im so genannten Brevier, dem Stundengebetbuch der Kirche, las ich nach dem Vaterunser folgenden Zwischenruf:
Wie lange noch, Ewiger, bis der Tag deiner Herrschaft anbricht?
Komm, unser Retter, komm heute noch! 
 
Das Vaterunser darf durchaus etwas Dringliches an sich haben. Wir dürfen es auch stürmisch beten: Komm jetzt! Die Brotbitte enthält übrigens die Dringlichkeit des Heute: Gib uns heute unser täglich Brot. Ich höre die hungernden Kinder wimmern und weinen. Und ich höre die Väter und Mütter, die nichts haben, um sie zu ernähren. Sie brauchen heute noch, jetzt Hilfe.
Auch die Bitte um Vergebung hat etwas Dringliches an sich. Nicht damit die Dinge möglichst bald ‚erledigt’ sind, sondern dass wir möglichst bald frei werden von unseren Lasten und unseren Besessenheiten.

Aber dann hörte ich auch bei jeder Bitte jeweils das Echo von Gott her: ‚Wie soll mein Wille heute noch geschehen, wenn du ihn nicht erfüllst?’ ‚Wie soll ich heute noch kommen, wenn du doch nicht da bist, um mir zur Hand zu gehen?’ ‚Wie soll ich heute meinen Namen heiligen, wenn du nicht heute noch in diese Heiligung einstimmst?’

Wäre das nicht auch eine Art, das Vaterunser zu beten: dass wir bei jeder Bitte unsere Mithilfe anbieten? Zum Beispiel
- Geheiligt werde dein Name meiner Mithilfe darfst du gewiss sein.
- Dein Reich Komme – ich möchte dir dabei zur Hand gehen.
- Dein Wille geschehe – auf mich darfst zählen.
- Unser tägliches Brot gib uns heute – ich möchte es mit den Hungrigen zu teilen.
Mit verschränkten Armen oder mit den Händen in den Taschen lässt sich nicht beten. Erst recht nicht das Vaterunser.

Hermann-Josef Venetz

samedi 17 mai 2014


Glasmalerei von Jacques Düblin In den letzten Jahren wird nicht nur im Geburts- und Wohnhaus, sondern bei den Gottesdiensten und Andachten im Ranft

Ein Gebet zum Nachdenken
Nach der Überlieferung soll Niklaus von Flüe folgende Verse täglich gebetet haben:

Mein Herr und mein Gott,
nimm alles mir, was mich hindert zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
gib alles mir, was mich führet zu dir.
Mein Herr und mein Gott,
nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.

Viele Menschen haben bei diesem Gebet ein ungutes Gefühl. Gibt man denn Gott so nicht eine Art Blankovollmacht? Nimm alles von mir…, gib alles mir… Das könnte doch einmal ins Auge gehen.
Nun, ich meine, dass das zum Risiko des Glaubens und des Betens gehört. Die Frage ist die, ob wir Gott zutrauen, dass er wirklich nur das Beste von uns und für uns will.
Mein Problem liegt anderswo. Ich empfinde dieses Gebet zu aufwühlend – wenn es denn überhaupt ein Gebet ist.

Nimm alles von mir, was mich hindert zu dir.
Bin ich so sicher, dass Gott mir nehmen will, was ich ihm nicht freiwillig gebe?
Und was ich ihm freiwillig gebe, bin ich denn so sicher, dass er das auch will?

Gib alles mir, was mich führet zu dir.
Bin ich so sicher, dass Gott mir gibt oder gar aufdrängt, was ich vielleicht gar nicht möchte?
Und wenn ich das entgegennehme, was er mir geben möchte, soll es mich dann wirklich ganz zu ihm führen?

Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.
Bin ich so sicher, dass Gott mich mir nehmen und so gewissermassen in Besitz nehmen will? 
 
Und wenn ich mich ihm gebe, sollte es dann nicht mein grösster Wunsch sein, dass ich ich bleibe und Gott Gott bleibt?

Das Gebet von Bruder Klaus ist vielleicht weniger ein Gebet als eine Einladung zum andauernden tiefen Zwiegespräch.

Hermann-Josef Venetz