samedi 13 juillet 2013

Mystik des Alltags


 Wie kein anderes Gebet macht uns das Vaterunser auf unseren ganz konkreten Alltag aufmerksam. Es gibt schlicht gar nichts in unserem privaten und gesellschaftlichen Leben, das wir im Vaterunser nicht zur Sprache bringen könnten. Was immer wir seufzen, klagen, uns erhoffen und uns freuen erhält hier den je eigenen Stellenwert und die je eigene Würde. Dabei können wir feststellen, dass dieser unser konkreter Alltag eine ungeahnte Tiefendimension erhält: Unsere Seufzer sind nicht nur Seufzer, unsere Klagen nicht nur Klagen, unsere Freuden nicht nur Freuden. Und unsere Mitmenschen nah und fern sind nicht nur Mitmenschen; sie sind unsere Geschwister, Söhne und Töchter und Kinder des einen Gottes und von diesem Gott leidenschaftlich geliebt. 
 
Das Vaterunser lädt uns ein, 

in unserer Endlichkeit mit dem Unendlichen

eins zu werden.

Hermann-Josef Venetz

samedi 6 juillet 2013

Das Vater Unser Eine ganze Welt

Das Besondere an diesem Gebet liegt darin, dass es das Gebet Jesu ist und dass er seine Jüngerinnen und Jünger lehrte, dieses Gebet zu ihrem zu machen.
In diesem Gebet ist das grosse Anliegen und die befreiende Praxis Jesu auf einmalige und authentische Weise zusammengefasst. Millionen von Menschen, glaubende und zweifelnde, haben dieses Gebet durch all die Jahrhunderte gebetet und beten es immer noch und immer wieder.

Sie beten es in den verschiedensten Ausdrucksmöglichkeiten, die ein Gebet haben kann: sie murmeln es, singen es, meditieren es, kosten jedes Wort aus; sie verweilen bei diesem Gebet im stillen Kämmerlein, auf einer Bergwanderung, in einer Kirche, auf dem Friedhof oder im Zug. In Gruppen möchten sie die Erfahrungen, die sie mit diesem Gebet machen, austauschen. Viele können das Vaterunser überhaupt nur in Gemeinschaft beten, weil es ein Gebet in Wir-Form ist.

Es bietet sich dieses Gebet an zum Solidarisch-Sein mit allen Geschwistern, die zum gemeinsamen Vater beten: mit den Unterdrückten, die Gerechtigkeit ersehnen; mit den Entfremdeten, die nach dem Willen Gottes suchen; mit den Hungernden, den Opfern unserer ungerechten Wirtschaftsordnung; mit den Verschuldeten, die aus der Misere nicht mehr herauskommen; mit den schuldig gewordenen, die um Vergebung bitten; mit den Gefährdeten, die der Versuchung nur mit Mühe widerstehen können; mit den Gläubigen aller Konfessionen und Religionen; ja selbst mit den Ungläubigen, denen Gott doch auch Vater und Mutter ist.

Es gibt tausend Anlässe und tausend Möglichkeiten, in die eigene Welt dieses Gebetes immer wieder einzutauchen.

Hermann-Josef Venetz

jeudi 6 juin 2013




Auf den Fremden hören

König David meinte es sicher gut, als er dem Propheten Natan von seinem Plan sprach, dem Ewigen doch auch ein Haus zu bauen, so wie er, der König, sich eines aus Zedernholz gebaut hat. Was für den König recht ist, soll für Gott nur billig sein. 
 
Natan, der dieses Ansinnen Gott vorlegte, kam mit negativem Bescheid zu David zurück. Durch all die Jahre hindurch ist Gott in einem Zelte wohnend mit seinem Volk gegangen und nie hat er den Wunsch geäussert, in einem Haus zu wohnen. Gott lässt sich  nicht einschliessen. Er möchte mit seinem Volk sein, wohin immer es geht. Dazu genügt ein Zelt, wie auch die Menschen in Zelten wohnen. Ein Palast würde ihn nur blockieren.
Jahre später setzte König Salomo Davids Absicht doch durch: Er baute Gott einen Tempel. 

Das 1. Buch der Könige, Kapitel 8, berichtet nicht nur von der Ansprache Salomos an die Gemeinde anlässlich der Tempelweihe, sondern zitiert auch des Königs ganz persönliches Gebet und seine Gebete für das Volk. Seine Bitte geht aber noch darüber hinaus, wenn er zu Gott betet: „Auch den Fremdling, der nicht zu deinem Volk gehört und von fernen Ländern kommt und hier betet, mögest du, Ewiger, erhören und alles tun, um was der Fremdling zu dir ruft.“

Fast hat man den Eindruck, Salomo wolle das Ansinnen Davids in korrigierter Fassung vorlegen: Gott soll in einem Hause wohnen, aber auch die Fremden sollen dort bei ihm Gehör finden.
Der christlichen Gemeinde in Korinth ruft der Apostel Paulus zu: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid…?“ (1 Kor 3,16)

Offensichtlich haben wir Christinnen und Christen das vergessen, sonst hätten wir ein besseres Gehör für die Fremdlinge in unserer Mitte und für die Fremden, die von fernen Länder kommen.

Hermann-Josef Venetz

samedi 18 mai 2013

Fragen zum nachdenken

 

Zwei fast vorwurfsvolle Fragen begleiten den Übergang von der Zeit Jesu in die nachösterliche Zeit. Es sind die Boten Gottes, Engel, die diese Fragen stellen. Sie wollen von gewissen Erwartungen ablenken und auf das Wesentliche aufmerksam zu machen.
Die erste Frage richten die Boten an die Frauen, die am Ostermorgen zum Grabe Jesu kommen: Was sucht ihr den Lebenden unter den Toten? (Lukas 24,5)

Die zweite Frage richten sie an Jesu Jüngerinnen und Jünger am so genannten Himmelfahrtstag: Ihr Leute von Galiläa, was steht ihr da und starrt zum Himmel hinauf? (Apostelgeschichte 1,11)

Ob diese Fragen nicht auch an uns gerichtet sind? Suchen wir Jesus vielleicht am falschen Ort? Unter den längst Verstorbenen? Gewiss ein bedeutender Mann, aber doch einer, der vor 2000 Jahren gestorben ist und uns in dieser sich so rasch verändernden Welt kaum noch etwas zu sagen hat?
 
Oder suchen wir Jesus im Himmel? Was soll er denn da oben? Schaut er interesselos zu, wie die Menschen da unten sich abstrampeln?
Die Frage »Wo ist denn Gott und sein Messias?« treibt auch gläubige Menschen um, und zwar immer wieder.

Vor vielen Jahren sass ich  als Aushilfspriester im Beichtstuhl einer Pfarrkirche. Ein  Junge klagte sich an: »Ich habe beim Beten nicht immer an Gott gedacht.« Da ich wusste, dass die entsprechende Frage im Beichtspiegel zu lesen war, wollte ich wissen, wie der Junge die Frage verstand und wollte so mit ihm ins Gespräch zu kommen. Ich fragte ihn: »Wo meinst du denn, wo dieser Gott ist, an den du beim Beten denken solltest?« Durch das Gitter des Beichtstuhls sah ich, wie er mit dem Finger nach oben zeigte und dabei sagte: »Da obena« (da oben). Aber sogleich unterbrach er sich selbst, so als ob er merkte, dass die Antwort nicht besonders gut war: »Nei, wartet emal.« (Nein, warten Sie mal) Dann sagte er mit überzeugend fester Stimme: »In minem Härz.« (in meinem Herzen)
Die Frage nach dem Wann und Wo muss auch zur Zeit Jesu in der Luft gewesen sein. Jesus antwortet: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es berechnen kann. Man kann auch nicht sagen: Schau hier ist es oder dort. Merkt euch: Das Reich Gottes ist mitten unter euch. (Lukas  17,20-21)

Die Antwort Jesu und die des Jungen sind voneinander gar nicht so weit entfernt. Vielleicht sollten wir Erwachsenen und Gescheiten – gerade jetzt an Pfingsten – mehr auf die Jungen hören...
Hermann-Josef Venetz

dimanche 21 avril 2013

For a little while we will have to do without the contribution of our common friend, Hermann-Josef Venetz. Yesterday, he moved from Fribourg to Sankt Jodern, Wallis, his natal « homeland ». But again a little while and he'll be with us sharing his precious Sunday reflections. May the Walliserland be kind to him ! For this Sunday I venture to offer this to him and to his readers :

Méditation dominicale

 Pour un peu de temps, nous devrons nous passer du billet  de notre ami commun, Hermann-Josef Venetz. La raison : il déménage aujourd’hui depuis Fribourg jusqu’en Valais, sa région natale. Et j’espère que ses « ruminations » théologiques le long des sentiers valaisans nous reviendrons bientôt. 
 
Noch bist du da 

Wirf deine Angst 
in die Luft 

Bald 
ist deine Zeit um 
bald 
wächst der Himmel 
unter dem Gras 
fallen deine Träume 
ins Nirgends 

Noch 
duftet die Nelke 
singt die Drossel 
noch darfst du lieben 
Worte verschenken 
noch bist du da 

Sei was du bist 
Gib was du hast 

Autorin: Rose Ausländer

Pour aujourd’hui, j’ai repensé à la belle œuvre de bronze de Timothy Schmalz : Jésus SDF allongé sur un banc hébergé chez les Jésuites de Regis College à Toronto, publié hier vendredi. 
 

Ne serait-il pas plus chrétien et audacieux même, de révérer les clochards, les mendiants/mendiantes couchés sur nos bancs publics. Prier les autorités ecclésiastiques de nos Eglises de les accueillir, de les recueillir tels qu’ils/elles sont dans nos Eglises et nos temples et dans nos monastère et nos couvents ?  C’est vrai qu’ils ne sont pas en bronze, ils sont en chair et en os, ils ont faim … ils sont nus, malades, en prison, étrangers, demandeurs d’asile « récalcitrants peut-être »… la voix de Jésus, leur voix, nous arrive comme l’écho de ce qu’Il a vécu chez les siens en Palestine, et, très actuelle, de ce qu’il vit chez nous… Matthieu 25,31-46

samedi 13 avril 2013




Wenn du betest...

Wenn du betest, bete im Verborgenen. Geh in deine
Kammer und schließ die Tür; dann bete zu deinem
Gott. Mach nicht viele Worte. Gott weiß, was du
brauchst. Bete so:
Vater im Himmel.
Geheiligt sei dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe.
Gib uns täglich, was wir nötig haben.
Vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir denen verzeihen wollen, die an uns schuldig geworden sind.
Gib uns Kraft in der Versuchung.
Befreie uns vom Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. (nach Matthäus 6,6 –13)

Die Kammer, in die sich der Beter zurückziehen soll, ist die Vorratskammer. Sie hatte keine Fenster, war dunkel und man konnte sie abschließen. Kein besonders liturgischer Raum. Dafür roch es nach Öl und Wein, nach Arbeit und Leben, nach Freude und Dankbarkeit. Ganz zurückgezogen in diese Kammer kann ich zur himmlischen Mutter, zum himmlischen Vater beten. Das Gebet erträgt keine Zuschauer. In dieser Kammer habe ich Gott auch nichts vorzuweisen – außer dem, was er mir selber gibt. Mit leeren Händen stehe oder sitze ich da, ganz dem ausgeliefert, der ins Verborgene sieht. Wehrlos, machtlos und ganz unmittelbar
Hermann-Josef Venetz


samedi 6 avril 2013




Selbstverleugnung?


Jesus rief die Volksmenge und seine Jünger und  Jüngerinnen zu sich und sagte: Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten. Denn was nützt es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen, dafür aber sein Leben einzubüßen? (Markus 8,34 –35)

Sich selbst verleugnen? Blicken wir auf Jesus, ging es ihm doch darum, Menschen zu befreien, sie zu sich selbst zu bringen, ihnen ihren Namen und ihre Geschichte zurückzugeben. Das Selbst, das diejenigen,  die Jesus nachfolgen, verleugnen sollen, ist jenes Selbst, das im Grunde sich selbst entfremdet ist, unfrei,  ja besessen – sei es von den eigenen ehrgeizigen Plänen und Ambitionen, sei es vom eigenen Karrieredenken auf dem Rücken anderer, sei es vom Besitz, der auf Kosten der Armen angehäuft wird.  Von diesem falschen Selbst sollen sich Jesu Jüngerinnen und Jünger verabschieden. Dann werden sie wahrhaft frei.
Auch das tägliche Kreuztragen sollte keinen selbstquälerischen Beigeschmack haben. Zum besseren Verständnis sollten wir Kreuztragen und Nachfolge miteinander verbinden. Jesus nachfolgen bedeutet, das Anliegen Jesu teilen, sein Anliegen zum eigenen machen. Menschen wie Jesus, Menschen, die so leben wie er, Gerechte, wie man sie auch nennt, werden ihre Umgebung immer verunsichern und herausfordern, sei es religiös oder gesellschaftlich oder politisch – was dann eben entsprechende Folgen nach sich ziehen kann. Die sehr hart klingenden Forderungen Jesu sind im Grunde genommen Einladungen zu größerer Freiheit, zu jener Freiheit, wie Jesus sie gelebt hat.

Hermann-Josef Venetz