samedi 19 avril 2014

Gottes Sehnsucht


 Die Mystikerin Mechthild von Magdeburg – sie lebte im13. Jahrhundert – soll gesagt haben:
Gott hat an allen Dingen genug, nur allein die Berührung der Seele wird ihm nie genug.
Das klingt doch so, als ob Gott Sehnsucht habe nach den Menschen, so als ob er ihnen nie nahe genug sein könne. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen guten und bösen Menschen, zwischen starken und schwachen; zu ihnen könnte sogar ich gehören.
In einem Heilig-Geist-Lied heisst es:
Gottesgeist, komm und berühre mein mir verborgenes Ich.
Das Ich, das ich täglich erfahre – mit all seinen Stärken und Schwächen, mit allem Hoffen und Bangen und Scheitern – ist nicht das ganze Ich. Das eigentliche Ich im Tiefsten meiner selbst ist mir verborgen. Aber Gott soll dieses Ich berühren; es ist das Ziel seiner Sehnsucht.
In seinen Bekenntnissen spricht Aurelius Augustinus – er lebte im 4./5. Jahrhundert – vom deus intimior intimo meo, das heisst vom Gott der mir – wörtlich – intimer ist als mein Intimstes, mir näher als ich mir selber bin. Auch hier geht es nicht nur um mein oberflächliches Ich. Gott möchte meinem innersten, eigentlichen Ich nahe sein. In jedem Menschen, auch im korruptesten, wohnt ein solches Ich.
Die Idee von der Sehnsucht Gottes nach den Menschen, nach dem Innersten des Menschen lässt mich nicht mehr los.
Kürzlich sass ich im Bus an der Haltestelle beim Python-Platz in Freiburg. Am Rande einer Kundgebung sah ich eine Gruppe von geistig behinderten Kindern und Jugendlichen. Eine junge Frau beugte ihren Oberkörper unaufhörlich nach vorwärts und wieder zurück, vor und zurück, vor – zurück. Und es drängte sich mir die Frage auf: Hat Gott auch Sehnsucht nach dem Innersten dieses Geschöpfs? Und äussert sich vielleicht seine Sehnsucht gerade in den fast wilden Bewegungen dieser jungen Frau? – Und könnte es sein, dass auch diese junge Frau ihre Sehnsucht nach Gott nur mit diesen Bewegungen äussern kann?

Hermann-Josef Venetz

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