samedi 3 novembre 2012

Wo sind sie geblieben...?


Es besteht kein Zweifel: In den urchristlichen Gemeinden waren mehr Frauen am Werke als dies während langer Zeit zugegeben wurde. Paulus, dem immer wieder Frauenfeindlichkeit nachgesagt wird, äussert sich im Römerbrief auffallend lobend über Frauen, die christliche Gemeinden leiteten und in ihnen tätig waren (Röm 16). Um nur ein paar von ihnen zu nennen: Phöbe, Priska, Junia, Maria, Tryphäna, Tryphosa, Persis, Julia, die Mutter des Rufus, die Schwester des Nereus und viele andere mehr.
Auch aus den Evangelien hören wir, dass Frauen im Leben Jesu und in den ersten christlichen Gemeinden grosse Bedeutung hatten. Man denke an die Frauen, die Jesus von Galiläa bis nach Jerusalem nachfolgten, d.h. zu seinem Jüngerkreis gehörten und als einzige unter dem Kreuz ausharrten wie Salome und Maria (Mk 15,40-41); man denke auch an die namentlich genannten Frauen,  die die ersten Zeuginnen und Künderinnen der Osterbotschaft waren wie Maria von Magdala (Joh 20).

Bereits zur Zeit des Neuen Testaments, also gegen Ende des 1. Jahrhunderts, wurden (von wem wohl?) Frauen von ihren Posten verdrängt. Im ältesten uns erhaltenen christlichen Glaubensbekenntnis, das schon Paulus vorgefunden hat, werden die Frauen als Zeuginnen des Auferstandenen nicht mehr erwähnt (1 Kor 15). Für die Leitung christlicher Gemeinden werden nur noch Männer als geeignet angesehen, die sich als gute Familienväter und Hausverwalter bewährt haben (1 Tim). Die Frauen haben in den Gemeindeversammlungen zu schweigen (1 Kor 14)... 

Aus einer geschwisterlichen Kirche wurde sehr bald eine Männerkirche. 
Es ist das Verdienst moderner Exegese, die mehr und mehr auch von Frauen betrieben wird, dass heute wiederum vermehrt den befreienden Traditionen der Bibel nachgegangen wird und dass die Mechanismen patriarchaler Vorherrschaft  aufgedeckt und entlarvt werden. Einem solchen Unternehmen kommt kein geringerer als der gewiss unverdächtige Paulus selbst zu Hilfe, der in seinem Brief an die christlichen Gemeinden in Galatien die ganze Sache auf den Punkt bringt:

Im Messias Jesus, d.h. in der christlichen Gemeinde, gibt es nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus.

Mit diesem Wort, ist jeder Diskriminierung aufgrund der Rasse, der sozialen Herkunft und auch des Geschlechts eine klare Absage erteilt.
Es ist müssig, darüber zu diskutieren, ob Paulus hier die konkrete Situation in den christlichen Gemeinden beschreibt oder ob er eine prophetische Vision von Kirche mitteilt. Das Paulus-Wort wird solange ein Pfahl im Fleische der Männer-Kirche sein, als diese sich einer echten Mitbestimmung der Frauen widersetzt.

Sicher ist: auf die Bibel wird man sich heute nicht mehr berufen können, um die Frauen von der vollen Mitverantwortung in der Kirche fernzuhalten.
Hermann-Josef Venetz

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