samedi 10 novembre 2012

Das Kreuz mit Hirten


Es gibt kaum eine Berufsgattung, die von den Propheten sowohl des Ersten wie auch die Neuen Testamentes so sehr aufs Korn genommen werden wie die Hirten. Vergessen wir nicht: Im Alten Orient war Hirte der Ehrenname der Könige, der Notabeln, der Hohenpriester, kurz der Leute, die das Sagen hatten.
Mit den Hirten musste man sich gut stellen; sie standen so oder so am längeren Hebel. Auf sie kam es an, ob die Schafe, d.h. die Leute zu essen hatten, ob sie Arbeit, Wohnung und Aufstiegschancen hatten. Da war es besser, nicht aufzumucken.
Die Propheten standen den Hirten sehr kritisch gegenüber. Schon die Tatsache, dass es so etwas wie Hirten gab, ging ihnen gegen den Strich. Nach ihrem ererbten Glauben gab es nur einen Hirten, und das ist der Ewige; niemand soll sich anmassen, irgend eine Führerrolle übernehmen zu wollen. Die Propheten waren die einzigen, die das Hirten-Spiel durchschauten – dazu waren sie ja Propheten.
Ezechiel, ein Prophet aus dem ausgehenden 6. Jahrhundert v. Chr. sagte es im Namen des Ewigen so:
Weh den Hirten Israels, die nur sich selber weiden.
Müssten die Hirten nicht die Herde weiden?
Ihr trinkt die Milch, nehmt die Wolle für eure Kleidung
und schlachtet die fetten Tiere;
aber die Herde führt ihr nicht auf die Weide.
Die schwachen Tiere stärkt ihr nicht,
die kranken heilt ihr nicht,
die verscheuchten holt ihr nicht zurück…
Die Anklagen gehen weiter. So weit, bis es – wie es scheint – Gott zu bunt wird, und er durch den Propheten sagen lässt:
Jetzt will ich meine Schafe selber suchen
und mich selber um sie kümmern.
Ich hole sie aus der Zerstreuung zurück
und bringe sie auf gute Weide.
Die verlorengegangenen will ich suchen,
die vertriebenen zurückbringen,
die verletzten verbinden…
Ich will ihr Hirt sein und für sie sorgen, wie es recht ist. (Ez 34)
Ich wünschte mir, dass die Hirten – dazu zähle ich nicht nur die Hirten in unseren Kirchen, sondern auch die Gemeindepräsidentinnen, die Staatsräte, die Lehrerinnen, die Professoren, kurz: alle, die meinen, das Sagen zu haben – ein bisschen Abstand nehmen von ihrer Hirten-Rolle, die doch nur eine sehr vorläufige ist. Und dass sie je länger je mehr dem Hirten Raum geben, der allein die Menschen, die dann nicht mehr Schafe sein werden, zum wahren Leben führen wird.

Hermann-Josef Venetz

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