dimanche 17 mai 2015

Eine Gewissenserforschung


Rein zufällig geriet ich über Internet in die Unterrichtsstunde des berühmten Pianisten Menahem Pressler. Er wird heuer 92 und ist immer noch voller Begeisterung und Leidenschaft. Um ihn herum waren einige junge Leute, die ihr Können und ihre Ausdruckskraft beim Meister vertiefen und vervollkommnen wollten. »Ich liebe die Musik«, sagte er den Anwesenden, »ich liebe den Komponisten, ich liebe die Zuhörerinnen und Zuhörer, ich liebe, was ich tue.«
Am Klavier sass eine junge Pianistin, die mich mit ihrem Spiel berührte. Aus der Mimik des Meisters schloss ich, dass auch er mit dem Dargebotenen zufrieden war, bis sich mehr und mehr seine Gesichtszüge verfinsterten. Plötzlich rief er laut: »Nein, nein, nein! So geht das nicht!«
Ich fand diese Intervention sehr streng, ja ungerecht.
Aber er fuhr fort: »Bis jetzt hast du geliebt, und ich hörte dir gerne zu. Jetzt willst du aber imponieren. Wenn du liebst, willst du was geben, gibst du was von dir, ja gibst du dich selbst. Jetzt willst du nur noch bekommen: Applaus, Erfolg, Bewunderung. Das ist nichts.«
Die Unterrichtsstunde des grossen Musikers ist Anstoss zur Gewissenserforschung – für mich und für alle, die so oder so in der Öffentlichkeit stehen, sei es als Musiker oder Lehrer oder Pfarrer oder Politiker oder was auch immer: Was ist die Triebfeder meines Redens und Tuns? Ist es die Liebe? Die Liebe zu den Menschen? Die Liebe zur Sache? Oder habe ich es auf den Applaus abgesehen? Auf den Erfolg? Auf die Komplimente, die man mir machen wird?
Und wie von selbst kommt mir der Passus im 1. Korintherbrief des Paulus Kapitel 13 in den Sinn:
Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete,
hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.
Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte…,
hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich nichts.
Hermann-Josef Venetz

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