Beispiel:
die Gemeinde in Korinth
Die
griechische Metropole Korinth wurde um 146 v. Chr. von den Römern
zerstört. Ungefähr 100 Jahre später wurde die Stadt wieder
aufgebaut. Von überall her wurden Leute angesiedelt: ausgediente
Soldaten, Handwerker, Asylantinnen, die in den Industriebetrieben, in
der Fischerei, in Handels- und Verkehrsunternehmen Arbeit fanden.
Bald war Korinth wieder eine moderne Grossstadt mit allem Drum und
Dran.
Erste
Gehversuche. Anfang
der 50-er Jahre sucht Paulus die dortige Synagoge auf
(Apostelgeschichte 18). Mit seiner Predigt vom gekreuzigten und
auferweckten Messias Jesus stiess er auf Widerstand. Die
Verantwortlichen verboten ihm den Zutritt zur Synagoge. Es gab aber
auch Leute, die mehr von ihm hören wollten. Ein begüterter Mann,
ein gewisser Justus, stellte ihm für die Versammlungen der
Christusgläubigen den Innenhof seiner Villa zur Verfügung. Der
Gemeinde schlossen sich bald auch Nicht-Juden an, einfache Leute
auch, Hafenarbeiter und Sklavinnen. Sie entwickelten einen riesigen
Eifer und feierten ihre neu gewonnene Freiheit. Paulus konnte es sich
leisten, weiter zu ziehen und die Gemeinde sich selbst zu überlassen.
Bereits
zwei, drei Jahre später traten beträchtliche Spannungen auf, so
dass die Gemeinde drohte auseinanderzubersten. Die Briefe, die Paulus
an die Gemeinde schreibt, enthalten kaum ein Kapitel, das nicht
diesen oder jenen Konflikt zum Thema hätte.
Kein
Dirigismus. Was
soll Paulus mit diesem zerstrittenen Haufen in Korinth tun? Soll er
der Gemeinde eine klare Verfassung aufnötigen? Soll er in dieser
Gemeinde oder gar über diese Gemeinde eine klare Führung einsetzen,
der alle zu gehorchen haben?
Er
tut weder das eine noch das andere. Er verneigt sich vor der
Gemeinde. Bereits aus den ersten Versen des Briefes geht das hervor
(1,1-3). Sie ist Gemeinde Gottes, nicht die Gemeinde des
Paulus. Die einzelnen Gläubigen bekennt er als von Gott
Geheiligte und von Gott Berufene. Was die Leute
dort tun, tun sie, weil der Geist Gottes sie treibt. Auch wenn
dem Apostel lange nicht alles gefällt, was da in Korinth geschieht,
er sieht in der Gemeinde den Ort, an dem Jesus, der Messias,
leibhaftig wird. Wie kommt Paulus dazu, von der Gemeinde als vom Leib
Christi oder vom leibhaften Christus zu sprechen? Halten wir vor
allem fest, dass Paulus weiss, wovon er spricht, wenn er den Christus
ins Spiel bringt. Paulus hat den gekreuzigten und auferstandenen
Christus persönlich gesehen (1. Korintherbrief 9,1); der
Auferweckte ist ihm erschienen (15,8); Gott hat ihm seinen
Sohn offenbart (Galaterbrief 1,15-16).
Die
Gemeinde als leibhafter Christus. Paulus
weiss auch, wovon er spricht, wenn er die Gemeinde
zum Thema macht. Die Erfahrungen, die er in Korinth machte, waren
sehr persönlich und konkret; anderthalb Jahre lebte in hautnahem
Kontakt mit den Leuten dort. Er wusste recht gut, wie es in einer
Gemeinde, die aus Menschen besteht, zu- und hergeht. Er wusste auch,
was es in der Gemeinde braucht: Predigerinnen und Lehrer,
Prophetinnen und Sozialhelfer, Leitungstalente und stille Beter…
(1. Korintherbrief 12).
Das
ist zwar alles recht kompliziert und unübersichtlich und
konfliktträchtig; dafür ist es echt und greifbar. Das ist es, was
Paulus erfahren hat: dass die Sache Jesu, das Anliegen Jesu in der
Gemeinde leibhaft und greifbar ist. Wo sollte denn Paulus dem
lebendigen Messias Jesus anderswo begegnen wenn nicht in der
Gemeinde?
Hermann-Josef
Venetz
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