»REFORMIERT
EUCH!«
Ayaan
Hirsi Ali en 2006 (Koen van Weel/Reuters).
So
lautet der Titel eines Buches von Ayaan Hirsi Ali. Der Untertitel
lautet: »Warum der Islam sich ändern muss.« Erschienen ist das
Buch 2015 im Knaus-Verlag. Die Autorin, Politikwissenschaftlerin,
nennt vor allem 5 Punkte, in denen sich der Islam ändern müsse:
1.
Mohammed und der Koran dürfen nicht mehr als unfehlbar gelten.
2.
Statt über das Leben nach dem Tod zu spekulieren, sollte das
Leben vor dem Tod einen grösseren Stellenwert erhalten.
3.
Die Scharia, die islamische Rechtsordnung, muss an die Menschenrechte
gebunden werden.
4.
Der Einzelne soll nicht mehr ermächtigt sein, islamisches Recht
durchzusetzen.
5.
Der Dschihad soll nicht länger als ‚heiliger Krieg’ geführt
werden. Die Gewalt darf auch in religiösen Belangen nicht länger
das letzte Wort haben.
Norbert
Copray, der das Buch in der Zeitschrift Publik-Forum vom 24.
Juli 2015 vorstellt, sagt dazu: »Da ist für viele Muslime ein
dickes Brett zu bohren. Und ein Projekt für die kommenden 300
Jahre.«
Ich
meine: In einem gewissen Sinne lassen sich die 5 Punkte mit nur
wenigen Abstrichen auch auf das Christentum oder unsere Kirchen
übertragen.
1.
Die Bibel, auch die Evangelien und selbst Jesus, sollten nicht als
‚unfehlbare Grössen’ gelten. Ja, auch Jesus nicht. Wir
entreissen ihm sein Menschsein, wenn wir ihm nicht erlauben sich zu
irren. Irren ist menschlich. Für den christlichen Glauben ist es
unaufgebbar, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist. Ein
unfehlbarer, irrtumsloser Mensch ist ein Monster. Ganz abgesehen
davon, dass Worte Jesu – so es denn welche gibt – von irrenden
Menschen niedergeschrieben und weitergegeben wurden.
2.
Auch im Christentum ist man immer noch zu sehr darauf bedacht, sich
den Himmel zu verdienen, anstatt hier und jetzt für eine
friedlichere und gerechtere Welt einzutreten.
3.
Die Scharia entspricht in etwa der kirchlichen Rechtsordnung. Unsere
kirchliche Rechtsordnung stiesse auch beim gläubigen Volk auf
weniger Widerstand, wenn sie stärker an die Menschenrechte gebunden
wäre – ich denke hier an die Ungleichstellung von Männern und
Frauen in der römisch-katholischen Kirche und an das Heiratsverbot
für kirchliche Amtsträger.
4.
In der römisch-katholischen Kirche liegt die unfehlbare Definitions-
und Interpretationsmacht bei einem Einzelnen, dem Papst. Das, obwohl
er sich in der Geschichte nachweislich x-mal geirrt hat – auch in
sogenannten Glaubensfragen.
5.
Unser Engagement für den Glauben und unser ‚Kampf’ gegen das
Böse dürfen nicht dazu führen, dass Andersgläubige ihrer Würde
beraubt und Sünder aus der Gemeinschaft ausgeschlossen werden.
Da
ist – so meine ich – auch für viele Christinnen und Christen »
ein dickes Brett zu bohren«. Hoffen wir, dass das Projekt für die
Verwirklichung nicht 300 Jahre benötigt.
Hermann-Josef
Venetz
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