lundi 17 août 2015

EIN BLICK AUF DIE ANFÄNGE DER KIRCHE (2)

Armenian miniature

Die Gemeinde des Messias Jesus
Die Jesusforschung der letzten Jahrzehnte hat das Jesusbild entscheidend korrigiert. Er wurde nicht mehr dem damaligen Judentum gegenübergestellt. Er war ein Jude vom ersten bis zum letzten Atemzug und hatte nie im Sinn, sich vom Judentum abzusetzen oder gar eine neue Religion zu gründen. Zum andern ist aber Jesus auch stärker in seine unmittelbare Mitwelt einbezogen worden. Die Jüngerinnen und Jünger waren nicht einfach sein Fan-Club.
Beauftragt mit der Königsherrschaft Gottes. Man darf annehmen, dass die Leute damals gewisse messianische Erwartungen an Jesus herangetragen haben. Ist er ein Prophet? Ist er der Messias? Beim unbefangenen Lesen der Evangelien hat man den Eindruck, dass diese Fragen und Erwartungen Jesus eher unangenehm waren. In der Mitte seiner Verkündigung stand nicht er, sondern das Reich Gottes. Die messianischen Erwartungen, die in der Luft lagen, übertrug er auf jene Bewegung, die er zur Verkündigung und zur Praxis der Königsherrschaft Gottes ins Leben rief. Auf die Frage nach dem Wie und Wann der Herrschaft Gottes antwortet er mit dem Hinweis auf seine Jüngerinnen und Jünger, auf jene kleine Herde, der der Vater die Königsherrschaft übergeben hat (Lukas 12,32) oder denen das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben ist (Markus 4,11).
Solidarisch mit den Ausgegrenzten. Die Frauen und Männer um Jesus zeichneten sich dadurch aus, dass sie sich mit den Randständigen solidarisierten und so selbst zu Randständigen wurden. Sie verloren ihre gesellschaftliche Stellung und wurden bald schon zu den Missachteten, zu den Unreinen und Sündern gezählt, wie denn die Gegner auch Jesus als Fresser und Weinsäufer, als Freund von Zöllnern und Sündern wahrnahmen (Lukas 7,34).
Der Kreis, der Jesus folgte, war eine Gemeinschaft von Gleichgestellten. Im Unterschied zu anderen Gruppierungen gab es hier keine Über- und Unterordnung, kein Oben und Unten, kein Zentrum und keine Peripherie (vgl. Markus 10,42-45 u.ö.). Und vor allem: Die Frauen galten nicht weniger als die Männer. Der nur aus Männern bestehende Zwölferkreis sollte das Zwölfstämmevolk symbolisieren. Als Symbol war das nur verständlich, wenn der Kreis auf Männer begrenzt war – unter den Stammvätern gab es ja keine Frauen. Dabei waren nicht die Männer wichtig, wichtig war die Erinnerung an jene grosse Vergangenheit, in der das ganze Volk, Männer und Frauen als Königreich von Priestern  und als heiliges Volk galt (Exodus 19,4-6).
Die vorrangige Option für die Armen und Leidenden. Von entscheidender Bedeutung sind auch jene Akzentsetzungen, auf die in den letzten Jahrzehnten die verschiedenen Befreiungstheologien und nicht zuletzt Papst Franziskus aufmerksam gemacht haben. Jesu vorrangige Option für die Armen hat Jesus nicht nur gelebt, er hat auch diejenigen, die ihm folgten, darauf verpflichtet.
Auch wenn die heutige Kirche in einem ganz anderen Umfeld lebt, wird sie von diesen Besonderheiten der damaligen Jesusbewegung nie absehen können.
Hermann-Josef Venetz



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