mardi 22 septembre 2015

DIE BIBEL – EIN BUCH FÜR ALLE SINNE (II)


Mit der Bibel die Welt entdecken



Wir können mit den Sinnen die Bibel entdecken. Auch das Umgekehrte ist richtig: Je besser wir die Bibel verstehen, desto besser werden wir auch acht geben auf unsere Sinne und mit ihnen Leben entdecken.

Schmecken
Dass man die Nähe Gottes mit einem Mahl, mit Essen und Trinken in Zusammenhang bringen kann (Matthäus 8,11; Lukas 14,15), veranlasst mich, von der Bibel oder mit der Bibel zurück zu unseren Mählern zu kommen. Sollten sie – auch im Familienkreis –  nicht so etwas wie Vorwegnahmen des endzeitlichen Mahles sein und von der Nähe Gottes künden?

Sehen
Wenn mir die Bibel bereits auf der ersten Seite deutlich macht, dass Gott gesehen habe, dass alles, was er gemacht habe, gut war (Genesis 1), dann werde ich mit anderen Augen dem Frühling begegnen. Und wenn ich in der Bibel lese, dass Gott das Elend seines Volkes in Ägypten gesehen hat und herabgestiegen ist (Exodus 3,7), dann werde auch ich, von der Bibel inspiriert, das Elend der Flüchtlinge sehen, aus mir heraus kommen und für die Verfolgten Partei ergreifen.

Hören
Wenn ich mit dem Psalmisten Gott inständig bitte, dass er doch sein Ohr zu mir wende, dass er aufmerke auf mein Flehen (86,1.6), dann werde ich mit diesem Gebet und mit der Bibel in der Hand in mein Leben zurück kommen und dankbar sein, wenn Menschen mir zuhören und dankbar sein, wenn es mir gelingt, selbst den Menschen zuzuhören – gerade den Sprachlosen und Hilfsbedürftigen.

Riechen
Wenn Gott die Opfer nicht riechen kann (Amos 5,21f), oder wenn das Gebet wie Weihrauch vor das Angesicht Gottes steigen soll (Psalm 141,2), oder wenn die Gemeinde Wohlgeruch Christi für Gott sein möge (2. Korintherbrief 2,15), dann werde ich, von der Bibel aufmerksam gemacht, auf meinen Geruchsinn besser acht geben und Menschen wieder riechen können, auch wenn sie verschwitzt sind, oder wenn der Raum, in dem eine Gebetsgruppe eine Stunde lang beisammen war, nicht nur nach Weihrauch duftet.

Tasten
Wenn Jesus das Gesicht der Blinden betastet (Mattäus 9,29) oder die Schwiegermutter des Petrus bei der Hand nimmt (Markus 1,31), oder wenn Jesus sich berühren lässt – von der blutflüssigen Frau (5,27), oder von jener, die in der Stadt als Sünderin gilt (Lukas 7,38), dann werde ich deswegen zwar noch nicht wahllos allen Menschen auf die Schultern klopfen, aber ich werde mit einer diskreten Geste Brücken schlagen können, die zueinander führen.

Zwei Thesen möchte ich abschliessend formulieren, die einander ergänzen oder bedingen:
Je besser ich mit meinen Sinnen umzugehen weiss, desto besser werde ich die Bibel verstehen können;
und je besser ich die Bibel verstehe, desto besser werde ich meine Sinne einsetzen und Leben entdecken können, mein Leben verändern, mein Leben auch einzusetzen wagen.

Hermann-Josef Venetz

jeudi 17 septembre 2015

DIE BIBEL – EIN BUCH FÜR ALLE SINNE (I)



Mit den Sinnen die Bibel entdecken



Die Bibel ist ein sinnliches Buch. Um sie zu verstehen, sind an erster Stelle nicht komplizierte wissenschaftliche Vorüberlegungen oder Kenntnisse in Hebräisch und Griechisch gefragt. Gefragt sind zuerst und vor allem ein verwöhnter Geschmackssinn, ein geübtes Ohr, ein zarter Tastsinn, offene Augen und ein feiner Geruchsinn.

Schmecken
Der Prophet Jesaja schildert das endzeitliche Gastmahl mit diesen Worten: Gott wird auf diesem Berg für alle Völker ein schmackhaftes Mahl bereiten, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen… (25,6). Wie sollen wir uns das vorstellen, wenn wir einen samtenen Pinot noir oder eine gut gewürzte Tomate oder einen saftigen Spargel nicht zu schätzen wissen?

Sehen
Im Schöpfungsbericht heisst es das eine um das andere Mal: Gott sah, dass es gut war…(Genesis 1). Gott machte das Wild des Feldes nach seinen Arten, das Vieh nach seinen Arten und alles Gewürm auf dem Erdboden nach seinen Arten... Und Gott sah, dass es gut war (1,24-25). Da gilt es, die Augen offen halten. Wer noch nie mit wachen Augen einen Regenwurm angeschaut und daran seine Freude gehabt hat, wird nie eine Ahnung von Gott bekommen.

Hören
Im Psalm 86 spricht der Beter oder die Beterin: Neige, Gott, dein Ohr und höre mich... (86,1), und weiter: Vernimm mein Gebet, merk auf meine flehende Stimme (86,6). Das kann doch nur jemand verstehen, der selber die verschiedenen Nuancen der menschlichen Stimme, auch des menschlichen Klagens, wahrzunehmen vermag. Es gibt auch falsche Töne; auch die muss ich zu unterscheiden wissen. Der Prophet Amos lässt Gott sagen: Verschont mich mit dem Lärm eurer Lieder! Das Spiel eurer Harfen will ich nicht hören (5,23).

Riechen
Paulus sagt im 2. Korintherbrief: Wir sind Christi Wohlgeruch für Gott... (2,15) Wie soll jemand diesen Satz verstehen, wenn er noch nie den Duft von blühendem Flieder oder von nackter menschlicher Haut in sich aufgenommen hat? Gewiss begegnen uns in der Bibel nicht nur Wohlgerüche. Der eben erwähnte Prophet Amos sagt im Auftrag Gottes: Eure Opferfeiern und eure Volksversammlungen kann ich nicht riechen (5,21f).

Tasten
Es ist kaum zu glauben, wie oft in den Evangelien davon die Rede ist, dass Jesus Menschen berührte oder Leute Jesus berührten. In Markus 7 geht es um einen Taubstummen: Jesus nahm ihn aus der Menge heraus beiseite, legte ihm seine Finger in die Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel... (7,33). Berührungsängste sind hier fehl am Platz.
Hermann-Josef Venetz

mardi 15 septembre 2015

»REFORMIERT EUCH!«




  Ayaan Hirsi Ali en 2006 (Koen van Weel/Reuters). 
 
So lautet der Titel eines Buches von Ayaan Hirsi Ali. Der Untertitel lautet: »Warum der Islam sich ändern muss.« Erschienen ist das Buch 2015 im Knaus-Verlag. Die Autorin, Politikwissenschaftlerin, nennt vor allem 5 Punkte, in denen sich der Islam ändern müsse:
1. Mohammed und der Koran dürfen nicht mehr als unfehlbar gelten.
2. Statt über das Leben nach dem Tod zu spekulieren, sollte das Leben vor dem Tod einen grösseren Stellenwert erhalten.
3. Die Scharia, die islamische Rechtsordnung, muss an die Menschenrechte gebunden werden.
4. Der Einzelne soll nicht mehr ermächtigt sein, islamisches Recht durchzusetzen.
5. Der Dschihad soll nicht länger als ‚heiliger Krieg’ geführt werden. Die Gewalt darf auch in religiösen Belangen nicht länger das letzte Wort haben.
Norbert Copray, der das Buch in der Zeitschrift Publik-Forum vom 24. Juli 2015 vorstellt, sagt dazu: »Da ist für viele Muslime ein dickes Brett zu bohren. Und ein Projekt für die kommenden 300 Jahre.«

Ich meine: In einem gewissen Sinne lassen sich die 5 Punkte mit nur wenigen Abstrichen auch auf das Christentum oder unsere Kirchen übertragen.
1. Die Bibel, auch die Evangelien und selbst Jesus, sollten nicht als ‚unfehlbare Grössen’ gelten. Ja, auch Jesus nicht. Wir entreissen ihm sein Menschsein, wenn wir ihm nicht erlauben sich zu irren. Irren ist menschlich. Für den christlichen Glauben ist es unaufgebbar, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist. Ein unfehlbarer, irrtumsloser Mensch ist ein Monster. Ganz abgesehen davon, dass Worte Jesu – so es denn welche gibt – von irrenden Menschen niedergeschrieben und weitergegeben wurden.
2. Auch im Christentum ist man immer noch zu sehr darauf bedacht, sich den Himmel zu verdienen, anstatt hier und jetzt für eine friedlichere und gerechtere Welt einzutreten.
3. Die Scharia entspricht in etwa der kirchlichen Rechtsordnung. Unsere kirchliche Rechtsordnung stiesse auch beim gläubigen Volk auf weniger Widerstand, wenn sie stärker an die Menschenrechte gebunden wäre – ich denke hier an die Ungleichstellung von Männern und Frauen in der römisch-katholischen Kirche und an das Heiratsverbot für kirchliche Amtsträger.
4. In der römisch-katholischen Kirche liegt die unfehlbare Definitions- und Interpretationsmacht bei einem Einzelnen, dem Papst. Das, obwohl er sich in der Geschichte nachweislich x-mal geirrt hat – auch in sogenannten Glaubensfragen.
5. Unser Engagement für den Glauben und unser ‚Kampf’ gegen das Böse dürfen nicht dazu führen, dass Andersgläubige ihrer Würde beraubt und Sünder aus der Gemeinschaft ausgeschlossen  werden.
Da ist – so meine ich – auch für viele Christinnen und Christen » ein dickes Brett zu bohren«. Hoffen wir, dass das Projekt für die Verwirklichung nicht 300 Jahre benötigt.
Hermann-Josef Venetz

jeudi 10 septembre 2015

Die Heiligen





Es war einmal ein kleiner Bub. Der lebte in einer grossen deutschen Stadt. In dieser Stadt gab es einen wunderschönen Dom. Mit seinen Eltern hat der Kleine diesen Dom mehrmals besucht. Am meisten beeindruckten ihn die grossen Fenster mit ihren farbigen Gestalten. Als er die Eltern fragte, wer denn diese farbigen munteren und ernsten Gestalten seien, antworteten ihm die Eltern: »Das sind die Heiligen.«
Im Religionsunterricht, den dieser Bub auch eifrig besuchte, kam der Pfarrer kurz vor Allerheiligen auf das Fest zu sprechen und fragte die Kleinen: »Wisst ihr denn auch, wer die Heiligen sind?« Unser Bub überlegte nicht lange, streckte den Finger und antwortete: »Die Heiligen sind die, durch die die Sonne scheint.«
Eine wunderbare Antwort! Freilich bin ich mir nicht ganz sicher, ob sich der Bub auch wirklich bewusst war, wie tiefgründig seine Antwort war. Die Heiligen sind die, durch die die Sonne scheint, die das Licht Gottes brechen.
Wenn wir bei diesem Bild noch etwas verweilen, stellen wir fest: Es gibt überhaupt keine Alternative zu den Heiligen – ähnlich wie bei den Fenstern im Dom. Man könnte die Fenster mit dicker schwarzer Farbe zu überstreichen; aber dann würden wir überhaupt nichts mehr sehen. Man könnte die Fenster auch einfach herausnehmen oder gar einschlagen; aber dann würden wir so geblendet, dass wir bald auch nichts mehr sehen.
Um richtig zu sehen, brauchen wir die Heiligen, brauchen wir licht-durchlässige Menschen. Um eine Ahnung zu bekommen von Gott, brauchen wir verschiedene Heilige. Ich möchte sagen: möglichst viele. Kein einziger Heiliger und keine einzige Heilige vermag das ganze Spektrum des Lichts Gottes zu brechen. Es braucht einen Petrus und eine Maria von Magdala, einen Franz von Assisi und eine Katharina von Siena, eine Edith Stein und einen Martin Luther King, ja es braucht auch dich und es braucht vielleicht sogar mich, damit wir Gott wirklich in seinem vielfältigen Licht und in seiner ganzen Menschenfreundlichkeit erahnen können.
Vielleicht ist das etwas verwegen, wenn ich uns so in die Schar der Heiligen einreihe. Aber sind wir nicht alle Geheiligte – durch die Taufe, durch die Firmung? Sind wir nicht alle zur Heiligkeit berufen? Berufen, einander Licht zu sein – und wenn es auch nur eine kleine Glühbirne oder eine kleine Laterne ist?
Hermann-Josef Venetz

vendredi 4 septembre 2015

EIN BLICK AUF DIE ANFÄNGE DER KIRCHE (4)



Zur Freiheit verpflichtet
Es dürfte klar sein dass sich das Anliegen Jesu, wie es in der Jesusbewegung anfanghaft realisiert wurde, nicht 1 zu 1 auf die urchristlichen Gemeinden übertragen lässt. Wenn im Neuen Testament von Gemeinden wie Jerusalem oder Korinth oder Antiochien oder Ephesus oder Rom die Rede ist, sind das jeweils nur Momentaufnahmen. Jede Gemeinde musste ihren eigenen Weg entsprechend den dort ansässigen Gläubigen gehen, entsprechend der innergemeindlichen Gruppendynamik, entsprechend auch dem soziokulturellen und politischen Umfeld. Trotz der Verschiedenheiten lässt sich mit grosser Sicherheit folgendes sagen:
1. Die ideale christliche Kirche hat es nie gegeben. Darüber kann auch Lukas nicht hinwegtäuschen, wenn er in der Apostelgeschichte von der Gemeinde in Jerusalem sagt, die Menge der Gläubiggewordenen sei ein Herz und eine Seele gewesen (4,32). Lukas sah sich wohl deswegen veranlasst, in der Mitte der 80-er Jahre des ersten Jahrhunderts seinen Leserinnen und Lesern ein Idealbild der Anfänge vor Augen führen, weil die Zustände in den aktuellen Gemeinden eben alles andere als ideal waren. Dass in den Anfängen der Kirche in Jerusalem nicht alles zum besten stand, wissen wir übrigens von Lukas selbst, wenn wir seinen weiteren Ausführungen aufmerksam folgen.
2. Jesus hat seinen Jüngerinnen und Jüngern bezüglich der Organisation der Gemeinden keine konkreten Anweisungen  gegeben. Die Christen und Christinnen der ersten Generationen nahmen sich die Freiheit, Kirche so zu gestalten, wie es für die Erfordernisse ihrer Zeit wichtig und nötig war. Jede Generation hatte und hat selbst dafür zu sorgen, Kirche so zu gestalten, dass die Sache Jesu am besten zum Tragen kommt.
3. Verbindlich sind also nicht die Strukturen und die Titel und die Ämter und dergleichen; verbindlich ist die Freiheit, mit der wir für unsere Zeit nach Mitteln und Wegen suchen sollen, damit die Sache Jesu in unserer Welt Gestalt annehme.
4. Diesem Auftrag wird die Kirche nicht dadurch gerecht, dass sie überall auf der Welt ein einheitliches Kirchenmodell durchzusetzen versucht. Kirche, wenn sie wirklich Kirche für die Menschen und für die Welt von heute sein will, wird sich in den verschiedenen Kulturen je anders und je neu verleiblichen müssen, und sie wird keine Angst haben, dabei ihre Identität zu verlieren. Ihre Identität verlieren wird sie dann, wenn sie nur noch darauf aus ist, den Besitzstand zu wahren und zu bleiben, wie sie ist.
5. Die Freiheit, zu der uns der Geist befreit und zu der uns das Neue Testament verpflichtet, hat weder mit Willkür noch mit Beliebigkeit etwas zu tun; sie ist vielmehr jene kreative Freiheit, die sich nur im Glauben an den Messias Jesus und in der Auseinandersetzung mit der Welt heute und im Hoffen auf die endgültige Befreiung verwirklichen lässt.
Hermann-Josef Venetz


jeudi 3 septembre 2015

EIN BLICK AUF DIE ANFÄNGE DER KIRCHE (3)



Beispiel: die Gemeinde in Korinth
Die griechische Metropole Korinth wurde um 146 v. Chr. von den Römern zerstört. Ungefähr 100 Jahre später wurde die Stadt wieder aufgebaut. Von überall her wurden Leute angesiedelt: ausgediente Soldaten, Handwerker, Asylantinnen, die in den Industriebetrieben, in der Fischerei, in Handels- und Verkehrsunternehmen Arbeit fanden. Bald war Korinth wieder eine moderne Grossstadt mit allem Drum und Dran.
Erste Gehversuche. Anfang der 50-er Jahre sucht Paulus die dortige Synagoge auf (Apostelgeschichte 18). Mit seiner Predigt vom gekreuzigten und auferweckten Messias Jesus stiess er auf Widerstand. Die Verantwortlichen verboten ihm den Zutritt zur Synagoge. Es gab aber auch Leute, die mehr von ihm hören wollten. Ein begüterter Mann, ein gewisser Justus, stellte ihm für die Versammlungen der Christusgläubigen den Innenhof seiner Villa zur Verfügung. Der Gemeinde schlossen sich bald auch Nicht-Juden an, einfache Leute auch, Hafenarbeiter und Sklavinnen. Sie entwickelten einen riesigen Eifer und feierten ihre neu gewonnene Freiheit. Paulus konnte es sich leisten, weiter zu ziehen und die Gemeinde sich selbst zu überlassen.
Bereits zwei, drei Jahre später traten beträchtliche Spannungen auf, so dass die Gemeinde drohte auseinanderzubersten. Die Briefe, die Paulus an die Gemeinde schreibt, enthalten kaum ein Kapitel, das nicht diesen oder jenen Konflikt zum Thema hätte.
Kein Dirigismus. Was soll Paulus mit diesem zerstrittenen Haufen in Korinth tun? Soll er der Gemeinde eine klare Verfassung aufnötigen? Soll er in dieser Gemeinde oder gar über diese Gemeinde eine klare Führung einsetzen, der alle zu gehorchen haben?
Er tut weder das eine noch das andere. Er verneigt sich vor der Gemeinde. Bereits aus den ersten Versen des Briefes geht das hervor (1,1-3). Sie ist Gemeinde Gottes, nicht die Gemeinde des Paulus. Die einzelnen Gläubigen bekennt er als von Gott Geheiligte und von Gott Berufene. Was die Leute dort tun, tun sie, weil der Geist Gottes sie treibt. Auch wenn dem Apostel lange nicht alles gefällt, was da in Korinth geschieht, er sieht in der Gemeinde den Ort, an dem Jesus, der Messias, leibhaftig wird. Wie kommt Paulus dazu, von der Gemeinde als vom Leib Christi oder vom leibhaften Christus zu sprechen? Halten wir vor allem fest, dass Paulus weiss, wovon er spricht, wenn er den Christus ins Spiel bringt. Paulus hat den gekreuzigten und auferstandenen Christus persönlich gesehen (1. Korintherbrief 9,1); der Auferweckte ist ihm erschienen (15,8); Gott hat ihm seinen Sohn offenbart (Galaterbrief 1,15-16).
Die Gemeinde als leibhafter Christus. Paulus weiss auch, wovon er spricht, wenn er die Gemeinde zum Thema macht. Die Erfahrungen, die er in Korinth machte, waren sehr persönlich und konkret; anderthalb Jahre lebte in hautnahem Kontakt mit den Leuten dort. Er wusste recht gut, wie es in einer Gemeinde, die aus Menschen besteht, zu- und hergeht. Er wusste auch, was es in der Gemeinde braucht: Predigerinnen und Lehrer, Prophetinnen und Sozialhelfer, Leitungstalente und stille Beter… (1. Korintherbrief 12).
Das ist zwar alles recht kompliziert und unübersichtlich und konfliktträchtig; dafür ist es echt und greifbar. Das ist es, was Paulus erfahren hat: dass die Sache Jesu, das Anliegen Jesu in der Gemeinde leibhaft und greifbar ist. Wo sollte denn Paulus dem lebendigen Messias Jesus anderswo begegnen wenn nicht in der Gemeinde?
Hermann-Josef Venetz