Die
Sache mit dem Neuen Bund
Maximino Cerezo Barredo
Im
alten Israel betrachteten Theologen und Propheten das Verhältnis
zwischen Gott und dem Volk als Bund. Ich will euer Gott
sein, und ihr sollt mein Volk sein – so lautet das Kernstück
dieses Bundes (vgl. u.a. Exodus 6,7). Für Israel bedeutete das, dass
es sich zur Treue gegenüber Gott verpflichtet, d.h. dass es sich
einsetzt für Recht und Gerechtigkeit, Witwen und Waisen nicht
einfach sich selbst überlässt, Fremden und Flüchtlingen Raum gibt,
die Gewinnmaximierung nicht zum einzigen Kriterium der Wirtschaft
erklärt oder auch – ganz einfach – sich an die Zehn Gebote hält.
Hier
setzt denn auch die Zurechtweisung der Propheten ein, wenn das Volk
sein Elend beklagt, wie z. B. im Babylonischen Exil. „Nicht weil
Gott euch vergessen hat, wurdet ihr deportiert, nicht weil Gott
vertragsbrüchig ist, liegen Jerusalem und der Tempel in Schutt und
Asche, sondern weil ihr euch nicht an die Abmachungen des Bundes
haltet“ – so ungefähr reagierten die Propheten.
Der
Prophet Jeremia fragte sich, wie denn ein Gottesbund aussehen müsste,
damit er vom Volk nicht mehr gebrochen wird. Und er kam dabei auf
eine bemerkenswerte Idee (31,31-34):
Seht,
es werden Tage kommen – so spricht der Ewige –, in denen ich mit
dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde,
nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe
und den sie gebrochen haben… So wird der Bund sein, den ich nach
diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe: Ich lege mein Gesetz in
sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und
sie werden mein Volk sein. Keiner wird mehr den andern belehren, man
wird nicht zueinander sagen: Erkennt Gott!, sondern sie alle, klein
und groß, werden mich erkennen… Denn ich verzeihe ihnen die
Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr.
Etwas
wirklich Neues. Nicht mehr ein Gesetz, das von aussen kommt,
soll der Bezugspunkt dieser Beziehung sein. Gott will das Gesetz in
die Menschen hineinlegen, ja ihnen in ihr Herz schreiben, so dass
sein Anliegen ganz und gar und bis ins Innerste hinein ihr Anliegen
werde, eine Du-zu-Du-Beziehung, die keine Mittler, kein Lehramt,
keine Prediger mehr braucht. Alle, klein und gross werden ihn
erkennen, d.h. ihm mit ganzem Herzen zugetan sein.
Völlig
neue Perspektiven! Aber – für wen? und für wann?
Gott
hat seinen Bund mit Israel nie aufgekündigt oder ein anderes Volk zu
seinem Volk gemacht. Nach unserem Text sagt Gott zweimal
ausdrücklich, er werde mit dem Haus Israel und dem Haus
Juda den neuen Bund schliessen. Paulus konnte es deutlicher nicht
sagen: Gott hat sein Volk nicht verstossen, das er einst erwählt
hat (Römerbrief 11,2). Israel ist und bleibt das Volk Gottes.
Und es wäre völlig verfehlt zu sagen, die christliche Kirche sei an
die Stelle Israels getreten. Kann denn die christliche Kirche von
sich behaupten, an ihr sei die Verheissung des Neuen Bundes in
Erfüllung gegangen? Tragen wir Christinnen und Christen die
Weisungen Gottes wirklich in unseren Herzen? Ist sein Anliegen ganz
und gar unser Anliegen?
Der
Traum Gottes ist bisher weder an Israel noch an den christlichen
Kirchen voll in Erfüllung gegangen. Aber weil es der Traum Gottes,
die Verheissung Gottes ist, können wir sicher sein, dass der
Traum sich verwirklicht, dass die Verheissung sich erfüllt, und zwar
jetzt schon – wenn auch nur umrisshaft – an Israel, seinem
erstgeborenen Sohn (Exodus 4,22), dann an denen, die sich zum
Messias Jesus bekennen und sein Kommen ersehnen, und schliesslich an
der ganzen Welt. Denn sowohl Israel wie auch die Kirchen haben –
solange sie bestehen – den einen, gemeinsamen Auftrag: die
Grosstaten und die Treue Gottes zu verkünden bis ans Ende der Welt
(vgl. 1. Petrusbrief 2,9).
Hermann-Josef
Venetz
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