Le
meilleur est au centre
maximino carrezo barrozo
Vor
einigen Jahren wurde in einer westschweizer Stadt ein neues
Einkaufszentrum gebaut. Es sollte eine grosse Sache werden; die
Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, und alle Welt sah gespannt der
Eröffnung dieses Zentrums entgegen. Auch im Umkreis der Stadt wurde
mit grossen Plakaten auf das kommende Ereignis hingewiesen.
Gesponsert wurden die bunten Werbeplakate von den grossen Firmen, die
im Einkaufszentrum vertreten waren. Sinnigerweise lag das
Einkaufszentrum nahe beim Bahnhof inmitten der Stadt, und alle
nannten es LE CENTRE. Das war auch sein offizieller Name. Auf
jedem der Plakate stand in grossen Lettern: LE MEILLEUR EST AU
CENTRE. Man könnte es auch so übersetzen: Das Beste ist in
eurer Mitte. Reklametechnisch: Das Beste, das Wichtigste
das, was ihr nötig habt, findet ihr im CENTRE, im neuen
Einkaufszentrum.
Es
stellt sich die Frage: Ist das CENTRE, das Einkaufszentrum,
wirklich unsere – auch meine – Mitte? Der Ort, um den sich alles
kreist? Früher stand doch im Zentrum der Stadt die Kirche, jetzt ist
es das Einkaufszentrum. Bald schon sprach man vom Konsum-Tempel.
So abwegig finde ich diese Bezeichnung nicht. Die Menschen kreisen
nicht mehr um Gott; sicher ist nicht der Gott Abrahams, Isaaks und
Jakobs in ihrer Mitte, sondern der Gott MAMMON.
Im
5. Buch Mose, auch Deuteronomium genannt, heisst es von Gott, dass er
in der Mitte seines Volkes oder in eurer Mitte wohne
(vgl. 6,15; 7,21 u.a.). Es ist unschwer zu erraten, was damit gemeint
sein soll: Gott will seinem Volk – uns – nahe, zutiefst verbunden
sein.
In
deiner Mitte oder in
eurer Mitte ist nach diesen Schriften
Gott. Aber fast ebenso oft ist davon die Rede, dass der
Fremde oder die
Fremden – oft zusammen genannt mit
den Witwen und Waisen
– in der Mitte des Volkes
sein sollen (vgl. Deuteronomium 16,11; 23,16.17; u.a.).
Es sind also die Leute auf den untersten Stufen der sozialen Leiter,
vorab die Witwen und Waisen und die Fremden, die dem Volk Israel
besonders ans Herz gelegt werden, wie es denn auch gerade diese
Menschen es sind, für die der Gott Israels eine besondere Schwäche
hat. Die Armen, die Flüchtlinge, die Fremden: Sie sind nicht
Randfiguren, nicht Aussenseiter; sie sollen unserer besonderen Sorge
anvertraut sein, sie sollen sich in
unserer Mitte wohl fühlen; sie sind
das Wertvollste und Wichtigste, das wir haben. Le
meilleur est au centre.
Hermann-Josef
Venetz
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