Gott bin ich und kein Mann
So spricht der Ewige: Als
Israel jung war, gewann ich es lieb und führte es als meinen Sohn
aus Ägypten heraus. Aber sie liefen von mir weg. Immer wieder
schickte ich Propheten zu ihnen, die sie zurückrufen sollten. Aber
sie wollten nicht. Sie opferten lieber Göttern, die sie sich selbst
gemacht haben, dem Baal und dem Mammon. Dabei habe ich sie doch gehen
gelehrt, auf meinen Armen getragen und sie wie Säuglinge an meine
Wangen gehoben. Mit Banden der Güte zog ich sie an mich. Aber sie
erkannten nicht, wie innig ich sie liebte, wie sehr ich mich um sie
kümmerte. Sie wandten sich ab und riefen zu Baal. Als ob dieser
ihnen helfen könnte! Mein Volk ist mir untreu geworden.
Und doch: Wie könnte ich dich,
Israel, im Stich lassen? Wie könnte ich dich vernichten? Schon der
Gedanke daran bricht mir das Herz und ich empfinde tiefstes Mitleid
mit dir. Denn ich bin Gott und kein Mann. Ich, der Heilige, komme um
dich zu retten. Und eines Tages wirst du mir nachfolgen und ich werde
dich zurück in deine Heimat führen.
(nach Hosea 11,1 –7)
Gott
liegt mit sich selbst im Streit. Wehmütig und enttäuscht zählt er
all das auf, was er für sein Volk getan hat: Er hat es lieb
gewonnen, hat es aus dem Sklavenhaus befreit, hat es auf Armen
getragen und sich um es gekümmert, aber es wandte sich von ihm ab
und wollte nichts von ihm wissen. Sollte er nicht Gleiches mit
Gleichem vergelten? Sollte er es nicht im Stich lassen? Sollte er
seinem berechtigen Zorn nicht freien Lauf lassen?
Er
kann es nicht. Es würde ihm das Herz brechen. Es würde ihm aber
auch gar nicht entsprechen. Rache, Vergeltung, Zorn – das alles ist
Männersache. Gott ist anders.
Hermann-Josef
Venetz
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