Wiederkehr der Religion?
Der Begriff »Religion« ist mehrdeutig,
wie denn auch ihr Bezugspunkt, »Gott«, mehrdeutig ist.
Mit »Gott« verband und verbindet sich
seit jeher Allmacht und Stärke und Überlegenheit. Wenn Gott nicht
Wunder wirken und das Böse nicht aus der Welt schaffen kann – wozu
sollte er denn gut sein?
Wer einen solchen »Gott« verehrt, wird
auch wie dieser mächtig, stark und anderen überlegen sein wollen.
Der Konkurrenzkampf unter den Menschen verschärft sich. Auf der
Strecke bleiben einmal mehr die Schwachen, die Nichtsnutze.
Wenn »Religion« diesen »Gott« meint,
dann möchte ich nicht, dass sie wiederkehrt.
Die Bibel spricht von einem ganz anderen
Gott. Nicht als Allmächtiger, Starker und Überlegener stellt
er sich vor, sondern als Jener, dem das Elend seines Volkes in
ägyptischer Knechtschaft zu Herzen geht, der sich berühren lässt,
der mit-leidet, der Partei ergreift für die Gequälten, für die
Unterdrückten. Ein liebender Gott ist er und darum auch verletzlich
und ohnmächtig. Ein Gott, der die Menschen um Hilfe bittet: Und
jetzt geh! – sagt er zu Mose, führe mein Volk aus Ägypten
heraus!... Ich werde mit dir sein. (Exodus 3,1-12)
Wenn »Religion« diesen Gott meint,
dann sehne ich mich danach – und möchte mein Bestes geben.
Hermann-Josef Venetz
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