Gott
und die Welt zusammenbringen
Jesus spricht von Gottes Kommen in Form von Gleichnissen. Er entwirft Bilder und erzählt Geschichten, wie sie auch aus unserem Leben gegriffen sein könnten. Dabei fällt auf: Wenn Jesus mit seinen Gleichnissen Gott und unsere so ganz und gar weltliche Welt zusammenbringt, gibt er sich nicht die geringste Mühe, diese unsere Welt schöner oder heiler oder liebenswerter darzustellen als sie ist.
Jesus spricht von Gottes Kommen in Form von Gleichnissen. Er entwirft Bilder und erzählt Geschichten, wie sie auch aus unserem Leben gegriffen sein könnten. Dabei fällt auf: Wenn Jesus mit seinen Gleichnissen Gott und unsere so ganz und gar weltliche Welt zusammenbringt, gibt er sich nicht die geringste Mühe, diese unsere Welt schöner oder heiler oder liebenswerter darzustellen als sie ist.
• Ein
Mann sät Samen auf seinen Acker. Einiges fällt unter die Dornen,
anderes auf den Weg, anderes fällt auf steinigen Grund, und bald
schon es zeigt sich das Unkraut (Matthäus 13,4-9.24-30). So ist eben
unsere Welt.
• Der
jüngere Sohn schmeisst dem Vater den Bettel hin, lässt sich das
Erbe ausbezahlen, haut ab und vergeudet das ganze Vermögen durch ein
verschwenderisches Leben (Lukas 15,11-32). So sieht es in der Welt
aus.
• Ein
Priester und ein Levit lassen sich von einem zusammengeschlagenen
Glaubensbruder nicht aufhalten; sie gehen an ihm vorüber (Lukas
10,30-37). Die Welt, in er wir leben.
Nirgendwo
heile Welt, die da mit Gott und seinem Reich zusammengesehen wird.
Unkraut, Verluste, zerbrochene Familien, betrügerische Angestellte,
Hartherzigkeit ... – eben so, wie die Welt aussieht: ohne
Schminke, ohne die geringste Beschönigung. Jesus war Realist.
Freilich
ist das noch nicht alles. Das Besondere an Jesus ist dies, dass er
inmitten dieser Welt, in der nichts in Ordnung ist, Züge ausmacht,
die überraschen, ja irritieren. Er sieht Möglichkeiten, die
deutlich machen, dass nichts so sein muss, wie es ist. Mitten in
dieser gnadenlosen Welt stellt er Alternativen fest, die die Welt in
ein ganz neues Licht tauchen.
• Wenn
sich der ‚verlorene Sohn’ zum Vater aufmacht, bewegt er sich
immer noch in der herkömmlichen Welt. Er wird dem Vater sagen: Ich
habe gesündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach
mich zu einem deiner Tagelöhner. Ganz
überraschend sieht der Vater noch eine völlig neue Möglichkeit: Er
lässt den Sohn gar nicht ausreden, sondern geht auf ihn zu, umarmt
ihn und setzt ihn wieder in die Rechte des Sohnes ein. Die
entscheidende Frage ist die, ob dieser diese neue Möglichkeit zu
ergreifen vermag oder ob er darauf pocht, sein Reuegebet zu Ende zu
sprechen und so an der alten Ordnung festzuhalten. Ebenso
entscheidend die Frage, ob der zu Hause gebliebene Sohn diese vom
Vater eröffnete neue Möglichkeit zu ergreifen vermag. Hörer und
Leserin haben selbst die Antwort zu geben, selbst eine Entscheidung
zu treffen: entweder bei sich selber stehen zu bleiben, oder sich
aufzumachen und am Fest teilzunehmen.
• Der
Sämann resigniert nicht. Geradezu trotzig sät er weiter in dem
unerschütterlichen Vertrauen, dass das meiste auf gutes Erdreich
fällt und dreissig, sechzig, huntertfache Frucht bringt. Weil hinter
dem ganzen Unternehmen Gott steht.
• Im
Unterschied zum Priester und zum Levit fragt der Mann aus Samaria
nicht nach Gesetz und Ordnung, nicht nach erlaubt und verboten,
sondern lässt sein Herz sprechen und investiert alles, damit der
Zusammengeschlagene wieder auf die Beine kommt.
So
bringt Jesus Gott und die Welt zusammen. Er sieht die Welt so, wie
sie ist, ohne Beschönigung, ohne Schminke. Aber er sieht in dieser
Welt, gerade weil er sie mit Gott in Zusammenhang bringt, ganz neue,
ja ungeahnte Möglichkeiten: die Möglichkeiten Gottes. Niemand
braucht bei sich selbst und dieser Welt stehen zu bleiben; alle
sollen aus dem tödlichen Gefüge ausbrechen können, sowohl der
Vater wie auch die beiden Söhne, sowohl der Sämann wie auch der
Samaritan wie auch der Priester und der Levit.
Oder
auch so gesagt: Jesus entdeckt in dieser Welt, in der fast nichts in
Ordnung ist, die Macht der Liebe und lädt uns ein, in dieser unserer
ganz konkreten und unheilen Welt dieser Macht der Liebe zu trauen.
Hermann-Josef
Venetz
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