Das Problem mit der Gegenseitigkeit
Unser Zusammenleben, sei es privat, sei es
gesellschaftlich, ist auf Gegenseitigkeit begründet, auf Bedingungen, die
erfüllt werden müssen.
- Wenn du die Prüfung
bestehst, bekommst du das Zeugnis.
- Ich habe die Arbeit nach Vorschrift erledigt, also habe ich Anrecht auf
den entsprechenden Lohn.
Jeder
Anstellungsvertrag, jeder Kaufvertrag, jeder Ehevertrag enthält ausdrücklich
oder auch unausgesprochen solche Bedingungen, die erfüllt oder eben auch nicht
erfüllt werden.
So geht es auch in unserem ganz privaten Leben
zu und her.
- Ich bin bereit
für uns jeden Tag zu kochen, sagt die Frau ihrem Mann, wenn du dein Büro in
Ordnung hältst.
- Ich wasche ab,
sagt der Mann seiner Frau, wenn du mir das Hemd bügelst.
- Wenn du mir den Wagen ausleihst, gehe ich
auf dem Weg zur Vorstandsitzung deine Mutter besuchen.
Unsere Beziehungen
beruhen auf Gegenseitigkeit. Es geht um den guten Ausgleich. Wir wollen
niemandem etwas schulden. Wir wollen miteinander quitt sein. Wie du mir, so ich
dir. Das nennen wir ‚Gerechtigkeit’.
Nun habe ich den starken Verdacht, dass wir
diese Art von Beziehung auch auf unser Verhältnis zu Gott übertragen.
- Ich verspreche
dem heiligen Antonius 20 Franken, wenn ich den Kellerschlüssel wiederfinde.
- Wenn meine Frau
das Kind, das sie erwartet, gesund zur Welt bringt, werden wir eine Messe lesen
lassen.
- Wenn wir vom Unwetter verschont bleiben,
werden wir an der Weggabelung ein Kreuz aufstellen.
Um noch ein bisschen mehr Druck aufzusetzen,
erfülle ich die Bedingung schon zum Vornherein.
- Ich mache eine
Wallfahrt nach Lourdes, damit ich geheilt werde.
- Ich gebe 100
Franken an das Fastenopfer, damit der Deal mit dem Geschäftspartner gelingt.
- Ich bete einen Rosenkranz, damit die
Tochter die Stelle bekommt.
Um es klar und
deutlich zu sagen: Mit diesem ‚Spiel’ will Gott
nichts zu tun haben.
Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle! (Joh 2,16)
Er ist nicht
bereit, bei diesem Markt mitzumachen und auf die Bedingungen, die wir stellen,
einzugehen. Und er selbst stellt auch keine Bedingungen.
Der Grund ist ein
sehr einfacher:
Gott ist Liebe (1Joh 4,8)
und Liebe stellt
keine Bedingungen.
So begeben wir uns in eine Welt, die von der
unseren völlig verschieden ist. Es ist Gottes Welt.
Hermann-Josef
Venetz
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