Als
Jesus getauft wurde...
Alle
vier Evangelisten berichten von der Taufe Jesu zu Beginn seines
öffentlichen Auftretens, aber jeder setzt die Akzente etwas anders.
Das ist nicht verwunderlich. Die Tatsache, dass Jesus von Johannes
getauft worden ist, war für die ersten Christen ein Problem. Wenn
Jesus von Johannes getauft worden ist, muss Johannes doch bedeutender
gewesen sein als Jesus, und so sahen manche gut-gläubige Menschen in
Johannes den Messias. Hier mussten die Dinge zurecht gerückt
werden: Nicht er (der Täufer) war das Licht, er sollte nur
Zeugnis geben vom Licht, heisst es im Johannesprolog (Joh 1,8).
Den
Evangelisten ging es nicht so sehr um das Faktum der Taufe Jesu als
vielmehr um die Deutung des Geschehens. Die Texte sind voll
der Hinweise:
-
der geöffnete Himmel ist wie eine Antwort auf den Hilfeschrei
des Volkes im Exil: O dass du die Himmel zerrissest und
herabstiegest... (Jes 63,19);
-
der Geist Gottes ist derselbe, der am Anfang über den
Wassern schwebte (Gen 1,2);
-
Jesus, der Knecht, der Erwählte, an dem Gott sein Wohlgefallen
hat und auf den er seinen Geist legt (Jes 42,1), ist der
Sohn Gottes;
und
noch an vieles mehr wird hier erinnert. Geballte Theologie aus
verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Facetten.
Aber so vielfältig die Evangelisten das Geschehen schildern und interpretieren, eines fehlt doch bei keinem von ihnen: die Taube. In früheren Zeiten hatte die Taube auch ausserhalb des Christentums eine religiöse Bedeutung, war sie doch als Vogel dem Himmel näher als alle anderen Geschöpfe. Dazu kam aber noch eine weitere Bedeutung: sie galt ganz einfach als schön, lieblich, sanft, zärtlich und inspirierte zu Liebesgedichten, denken wir nur an das Hohelied der Liebe im Ersten Testament, wo der Bräutigam von seiner Braut schwärmt: Deine Augen sind wie die einer Taube (1,15).
Die
Taube als Symbol des Friedens und der Zärtlichkeit ist von der Taufe
Jesu nicht wegzudenken, nicht wegzudenken von der Beziehung Gottes zu
seinem geliebten Sohn und zu allen Menschenkindern. Im ersten
Johannesbrief (4,9) heisst es:
Gott
ist Liebe
ebenso
könnte man auch sagen:
Gott
ist Zärtlichkeit.
Hermann-Josef
Venetz
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