Mit dem Wort
„lieben“ tun wir uns schwer. Es kommt nur sehr selten vor, dass wir jemandem
sagen: „Ich liebe dich.“ Diese Aussage ist uns zu intim, zu persönlich, zu
gefühlvoll, zu romantisch. Im Walliserdeutsch, das ebenerdiger klingt, gibt es
diese Wendung überhaupt nicht – oder höchstens in der moderateren Form von „ich
ha di gäre“.
Neulich sagte mir
ein Mann, dem ich einen kleinen Dienst erwies, am Schluss eines
Telefongesprächs: „Du, Hermann, ich ha di gäre.“ Mir blieb die Spucke weg und
ich wusste nicht wie darauf reagieren. Ich sagte einfach: „Ja. Tschau, Marco!“
Sicher fand ich deswegen keine Antwort, weil mir noch nie im Leben ein Mann so
etwas gesagt hat und weil ich darum auch nicht verstand, was er damit sagen
wollte. Denn im „gern haben“ ist wie im „lieben“ zu viel Unbestimmtes, zu viel
Verschwommenes, zu viel Unkonkretes, zu viel Schmus enthalten.
Und doch muss es
möglich sein, unsere Sympathien, die wir für jemanden empfinden, auch ins Wort
zu bringen. „Ich hab dich lieb“ sagt alles – oder eben auch nichts. Im Laufe
der Zeit habe ich etwas gefunden, das ich sagen kann ohne zu erröten und ohne
jemanden in Verlegenheit zu bringen. Ich kann es auch jemandem sagen, der mir
nicht unbedingt sympathisch ist. Handfest und konkret kann ich dem Mitmenschen
zu verstehen geben, dass
ich zu ihm stehe, was immer auch passieren mag. Und damit es unverfänglicher
klingt, sage ich es auf italienisch, das alle verstehen: „Ti voglio bene.“ Ich
will dir gut. Ich möchte, dass es dir gut geht, dass du du sein kannst.
Dahinter steht nicht undefinierbare Gefühlsduselei sondern die feste Absicht,
mein Gegenüber nicht allein zu lassen, ihm in Schwierigkeiten beizustehen, ihm
konkret zur Hand zu gehen.
Das „ich will dir gut“ kann man lernen, einüben mit
jeder noch so kleinen Handreichung – im Unterschied zur Verliebtheit; die muss
man nicht lernen, die ist plötzlich einfach da – und fast unbemerkt
verschwindet sie nach einer Weile wieder. Das „ti volio bene“ hat etwas
Dauerndes und Bleibendes. Und Konkretes.
Hermann-Josef Venetz
Aucun commentaire:
Enregistrer un commentaire