Es
besteht kein Zweifel: In den urchristlichen Gemeinden waren mehr
Frauen am Werke als dies während langer Zeit zugegeben wurde.
Paulus, dem immer wieder Frauenfeindlichkeit nachgesagt wird, äussert
sich im Römerbrief auffallend lobend über Frauen, die christliche
Gemeinden leiteten und in ihnen tätig waren (Röm 16). Um nur ein
paar von ihnen zu nennen: Phöbe, Priska, Junia, Maria, Tryphäna,
Tryphosa, Persis, Julia, die Mutter des Rufus, die Schwester des
Nereus und viele andere mehr.
Auch
aus den Evangelien hören wir, dass Frauen im Leben Jesu und in den
ersten christlichen Gemeinden grosse Bedeutung hatten. Man denke an
die Frauen, die Jesus von Galiläa bis nach Jerusalem nachfolgten,
d.h. zu seinem Jüngerkreis gehörten und als einzige unter dem Kreuz
ausharrten wie Salome und Maria (Mk 15,40-41); man denke auch an die
namentlich genannten Frauen, die die ersten Zeuginnen und
Künderinnen der Osterbotschaft waren wie Maria von Magdala (Joh 20).
Bereits
zur Zeit des Neuen Testaments, also gegen Ende des 1. Jahrhunderts,
wurden (von wem wohl?) Frauen von ihren Posten verdrängt. Im
ältesten uns erhaltenen christlichen Glaubensbekenntnis, das schon
Paulus vorgefunden hat, werden die Frauen als Zeuginnen des
Auferstandenen nicht mehr erwähnt (1 Kor 15). Für die Leitung
christlicher Gemeinden werden nur noch Männer als geeignet
angesehen, die sich als gute Familienväter und Hausverwalter bewährt
haben (1 Tim). Die Frauen haben in den Gemeindeversammlungen zu
schweigen (1 Kor 14)...
Aus einer geschwisterlichen Kirche wurde sehr
bald eine Männerkirche.
Es
ist das Verdienst moderner Exegese, die mehr und mehr auch von Frauen
betrieben wird, dass heute wiederum vermehrt den befreienden
Traditionen der Bibel nachgegangen wird und dass die Mechanismen
patriarchaler Vorherrschaft aufgedeckt und entlarvt werden.
Einem solchen Unternehmen kommt kein geringerer als der gewiss
unverdächtige Paulus selbst zu Hilfe, der in seinem Brief an die
christlichen Gemeinden in Galatien die ganze Sache auf den Punkt
bringt:
Im
Messias Jesus, d.h. in der christlichen Gemeinde, gibt es nicht mehr
Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Frau; denn ihr alle
seid einer in Christus.
Mit
diesem Wort, ist jeder Diskriminierung aufgrund der Rasse, der
sozialen Herkunft und auch des Geschlechts eine klare Absage erteilt.
Es
ist müssig, darüber zu diskutieren, ob Paulus hier die konkrete
Situation in den christlichen Gemeinden beschreibt oder ob er eine
prophetische Vision von Kirche mitteilt. Das Paulus-Wort wird solange
ein Pfahl im Fleische der Männer-Kirche sein, als diese sich einer
echten Mitbestimmung der Frauen widersetzt.
Sicher
ist: auf die Bibel wird man sich heute nicht mehr berufen können, um
die Frauen von der vollen Mitverantwortung in der Kirche
fernzuhalten.
Hermann-Josef
Venetz
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