Die
Abschiedsreden im Johannesevangelium (14-17) klingen sehr ruhig und
abgeklärt. Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch, sagt Jesus
zu seinen Jüngerinnen und Jüngern. Eine traute Idylle steigt in uns
auf.
Wenn
dann aber innerhalb weniger Verse neunmal vom bleiben die Rede
ist, darf man sich zu Recht fragen, ob das Bleiben für viele der
damaligen Christinnen und Christen nicht zum Problem geworden ist.
Aus dem vermeintlich so ruhig dahinplätschernden Evangelium können
wir entnehmen, dass die Gemeinde, die der Evangelist vor Augen hat,
deutliche Risse aufweist – wenn sie nicht schon
auseinandergebrochen ist.
Da
gab es einige, die im gekreuzigten und auferweckten Jesus von Nazaret
so etwas wie einen neuen Mose erkannten. Im Ersten Testament wurde er
ja verheissen: der Prophet wie Mose, der dem Volk alles sagen wird,
was Gott ihm aufgetragen hat, ein Prophet auch, der Zeichen und
Wunder wirken wird wie Mose (Deuteronomium 18,18). Und mit
leuchtenden Augen erzählten sie, wie Jesus mit wenigen Broten
mehrere tausend Leute gesättigt hat.
Da
gab es andere, denen das nicht genügte. Nicht Jesus von Nazaret war
für sie entscheidend, nicht sein Leiden und Sterben und Auferstehen,
erst recht nicht die Wunder. All das ist höchstens für die
‚einfachen Gläubigen’ wichtig. Für die wahrhaft ‚Eingeweihten’
ging es einzig um den Christus, der das Wort ist, die
Wahrheit, das Leben, in das sie hineintauchen konnten.
Es war fast so, als ob sie von dieser Welt, von der sie eh nicht viel
hielten, bereits abgehoben waren. Sie sahen sich zu Höherem und
Besserem bestimmt, lebten jetzt schon die Vollendung und blickten
etwas mitleidig, wenn nicht gar verachtend auf diejenigen herab, die
über die Alltäglichkeiten des Lebens nicht hinauszusehen
vermochten.
Beide
Gruppierungen sprachen einander den ‚richtigen Glauben’ ab.
Der
Evangelist Johannes wollte in erster Linie nicht über den ‚richtigen
Glauben’ entscheiden. Er möchte, dass alle bleiben, so
unterschiedlich ihre Glaubensüberzeugungen auch sind. Er möchte,
dass sie beieinander bleiben und von einander lernen und für
einander da sind.
Nicht
der ‚richtige Glauben’ ist entscheidend, über den sich so leicht
reden lässt, sondern das Bleiben, das Ausharren –
auch und gerade in all den schweren Glaubensnöten, die uns
heimsuchen.
Hermann-Josef
Venetz
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