(nach
Matthäus 18,23-35)
Ein
Knecht stand bei seinem Herrn in der unvorstellbar riesigen Schuld
von 10 000 Talenten. 1 Talent war zur Zeit Jesu die grösste
Geldeinheit, und 10 000 war die grösste Zahl, mit der man noch
rechnete – eine grössere Schuld kann es also gar nicht geben.
Auf
inständiges Bitten des Knechtes erlässt ihm der Herr die ganze
Schuld! Aber dieser eben amnestierte Knecht bringt es nicht fertig,
seinem Mitknecht die lächerliche Schuld von 100 Denaren zu erlassen
– das sind ziemlich genau der millionste Teil der 10 000 Talente –
und das obwohl ihn dieser nicht weniger inständig um Stundung
bittet. Das ist ein Skandal!
Christinnen
und Christen – ja eigentlich alle Menschen – stehen als
Amnestierte in der Welt. Sie sind frei. Sie brauchen sich nicht mehr
zu ängstigen. Sie brauchen sich von der Last ihrer Schuld nicht
aufreiben, von Schuldkomplexen nicht versklaven zu lassen. Die Frage
ist nur, was sie mit ihrer Freiheit tun. Ob andere etwas von dieser
Amnestie zu spüren bekommen: die Asylanten, die verschuldeten
Länder, die Verleumder? Oder ob der befreiende Zug der Amnestie bei
ihnen selbst ans Ende gelangt?
Wo
die Amnestie, das bedingungslose Verzeihen, nicht weitergeht, wird es
für die Menschen und die Welt keine Zukunft geben.
Hermann-Josef
Venetz
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