Tod,
wo ist dein Stachel?
Seit
altersher bringt uns der Monat November den Verstorbenen und dem
eigenen Tode nahe.
Die
uns im Glauben vorangegangen sind, so
nennt die Kirche in ihren Gebeten die Verstorbenen; Paulus nennt sie
die Toten in Christus (1.
Thessalonicherbrief 4,1), und Jesus sagt den Sadduzäern, die sich
über die Auferstehung lustig machen: Für
ihn, Gott, sind alle lebendig (Lukas
20,38).
Keine
andere Erfahrung und keine Wirklichkeit fordert unseren Glauben so
sehr heraus wie der Tod. Der Glaube darf diese Wirklichkeit weder
verdrängen noch übertünchen. Wer sich zum gekreuzigten Messias
Jesus bekennt, kann angstlos dem Tod ins Gesicht schauen, nicht nur
dem sanften, erlösenden Tod, sondern auch dem Tod, der uns in
verschiedenen und erschreckenden Fratzen entgegentritt. Seitdem Gott
sich selbst in Jesus Christus in die Abgründe des Leidens und
Sterbens hineinbegeben hat, hat der Tod alles Fluchwürdige und
Entsetzliche verloren. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein
Stachel? – so fragt Paulus (1. Korintherbrief 15,55)
Oder
auch so gefragt: Auf was vertraue ich, wenn es mit mir zu Ende geht?
-
Auf ein Leben, das nach dem Tod irgendwie weitergeht?
-
Auf eine unsterbliche Seele, jenem Bestandteil meiner selbst, der
unzerstörbar, weil geistig ist?
-
Auf eine Reinkarnation, eine Art Wiedergeburt, die mir auch weiterhin
die Möglichkeit der Selbstentfaltung eröffnet?
-
Auf meine guten Werke, um die ich mich zeitlebens redlich bemüht
habe?
-
Auf ein freundliches Nichts, das mich gnädig auflöst?
Was
mich anbelangt: ich möchte glauben und vertrauen dürfen, dass Gott
sein liebendes Ja, das er mir einmal zugesagt hat, auch durch mein
Scheitern durchhält, auch durch mein Zweifeln und Verzweifeln, auch
durch mein Sterben. Oder – um es ganz einfach zu sagen –: ich
möchte glauben und vertrauen, dass die Liebe stärker ist als der
Tod. Stärker als mein und auch dein Tod. Stärker als unser aller
Tod.
Hermann-Josef
Venetz
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