mercredi 18 novembre 2015



Tod, wo ist dein Stachel?


Seit altersher bringt uns der Monat November den Verstorbenen und dem eigenen Tode nahe.
Die uns im Glauben vorangegangen sind, so nennt die Kirche in ihren Gebeten die Verstorbenen; Paulus nennt sie die Toten in Christus (1. Thessalonicherbrief 4,1), und Jesus sagt den Sadduzäern, die sich über die Auferstehung lustig machen: Für ihn, Gott, sind alle lebendig (Lukas 20,38).
Keine andere Erfahrung und keine Wirklichkeit fordert unseren Glauben so sehr heraus wie der Tod. Der Glaube darf diese Wirklichkeit weder verdrängen noch übertünchen. Wer sich zum gekreuzigten Messias Jesus bekennt, kann angstlos dem Tod ins Gesicht schauen, nicht nur dem sanften, erlösenden Tod, sondern auch dem Tod, der uns in verschiedenen und erschreckenden Fratzen entgegentritt. Seitdem Gott sich selbst in Jesus Christus in die Abgründe des Leidens und Sterbens hineinbegeben hat, hat der Tod alles Fluchwürdige und Entsetzliche verloren. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? – so fragt Paulus (1. Korintherbrief 15,55)
Oder auch so gefragt: Auf was vertraue ich, wenn es mit mir zu Ende geht?
- Auf ein Leben, das nach dem Tod irgendwie weitergeht?
- Auf eine unsterbliche Seele, jenem Bestandteil meiner selbst, der unzerstörbar, weil geistig ist?
- Auf eine Reinkarnation, eine Art Wiedergeburt, die mir auch weiterhin die Möglichkeit der Selbstentfaltung eröffnet?
- Auf meine guten Werke, um die ich mich zeitlebens redlich bemüht habe?
- Auf ein freundliches Nichts, das mich gnädig auflöst?
Was mich anbelangt: ich möchte glauben und vertrauen dürfen, dass Gott sein liebendes Ja, das er mir einmal zugesagt hat, auch durch mein Scheitern durchhält, auch durch mein Zweifeln und Verzweifeln, auch durch mein Sterben. Oder – um es ganz einfach zu sagen –: ich möchte glauben und vertrauen, dass die Liebe stärker ist als der Tod. Stärker als mein und auch dein Tod. Stärker als unser aller Tod.

Hermann-Josef Venetz

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