Nimm
mich…
Vor
einiger Zeit habe ich ein Lied entdeckt, von dem ich – zu meiner
Schande sei es gesagt – weder den Text noch die Melodie kannte,
obwohl es in unserem allgemeinen Kirchengesangbuch stand.
Die
erste Strophe lautet so:
Nimm
du mich, Heiliger Atem, zünde dein Feuer an,
zeig
den Weg gib Antwort, aus der ich leben kann.
Es
ist ein Heilig-Geist-Lied. Die Grundbedeutung des hebräischen Wortes
für Geist, ruach, dürfte Hauch, Atem, Wind, Sturm… sein.
Sicher ist, dass der Ausdruck im Hebräischen weiblich ist. Man
hat im Zusammenhang mit ruach auch schon von der weiblichen Seite
Gottes gesprochen oder ruach ganz einfach mit Geistin
übersetzt. Auf diesem Hintergrund ist es doch nicht verwegen, in der
Wendung nimm mich einen erotischen Zug zu ahnen.
Diesen
erotischen Zug findet man auch in der 2. Strophe, wo es heisst:
Gottesgeist
komm und berühre…
Einen
ähnlichen Klang haben auch weitere Einladungen im Lied:
wecke
mich, fass mich (an), treib mich…
Das
Lied bittet den Heiligen Atem:
zünde
dein Feuer an.
Die
Vorstellung mag bedrohlich sein, denn an einem feurigen Atem könnte
man sich ja verbrennen. Aber dann erinnere ich mich an Jesu Wort in
Lukas 12,49:
Ich
bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen.
Wie
froh wäre ich, es würde schon brennen.
Es
ist das Feuer der Leidenschaft, der heilige Atem der Weltleidenschaft
Gottes – so der Buchtitel des Theologen und Pfarrers Kurt
Marti.
Mit
dem Lied erbitte ich vom Heiligen Atem dieses Feuer der Leidenschaft:
Zeig
den Weg, gib Antwort, aus der ich leben kann.
Der
Heilige Atem, die Weltleidenschaft Gottes allein ist es, die den Weg
des Lebens zeigen und die Antwort des Lebens geben kann. Es erinnert
mich an Deuteronomium 4,24, wo Gott von sich sagt:
Der
Ewige, dein Gott, ist ein verzehrendes Feuer,
ein
leidenschaftlicher Gott.
Wer
Gott sagt, sagt Leidenschaft. Und der Weg, den er
zeigt, ist ein leidenschaftlicher Weg – ganz so, wie Jesus ihn
gegangen ist in dem oben zitierten Sinn (Lk 12,49):
Ich
bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen.
Wie
froh wäre ich, es würde schon brennen.
Diesen
Heiligen Atem erbitte ich, dass er mich mit Jesus zu brennen
lässt.
Ein
engagiertes, ja ein riskantes Gebet.
Hermann-Josef
Venetz
(Chagall)
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