Heilige Benoît, Br. Gelineau, Tamié
Hier eine jüdische Erzählung, die in verschiedenen Varianten
zu uns gekommen ist. Sie setzt den Psalm 95 voraus, der im Stundengebet der
katholischen Kirche jeden Morgen gebetet wird. Der Vers, auf den die Erzählung Bezug nimmt, lautet: O, dass ihr doch heute auf seine Stimme
hört; verhärtet eure Herzen nicht…
Eines Tages fragte Rabbi Josua ben Levi (1. Hälfte des 3. Jahrhunderts) den Propheten
Elija: ‚Wann wird der Messias endlich kommen?’
Elija antwortete: ‚Geh doch zu ihm hin und frag ihn selbst.’
Da sagte Rabbi Josua: ‚Wo ist er denn?’
Elija antwortete: ‚An den Toren Roms.’
‚Und wie werde ich ihn erkennen?’
‚Er sitzt unter den aussätzigen Bettlern. Während aber diese ihre Bandagen alle auf
einmal abnehmen und dann die neuen anlegen, löst der Messias seine Bandagen
einzeln ab und legt die neuen einzeln wieder an. Er denkt sich nämlich, dass Gott ihn jeden Augenblick
rufen könnte, um die Erlösung zu bringen. So hält er sich in ständiger Bereitschaft.’
Rabbi Josua ging, erkannte ihn und grüsste ihn: ‚Friede sei
mit dir, Meister und Lehrer!’
‚Friede sei mit dir, Sohn Levis!’
‚Wann wirst du kommen, Meister?’
‚Heute.’
Später beschwerte sich Rabbi Josua ben
Levi bei Elija: ‚Der Messias hat mich angelogen. Er sagte, dass er heute kommen
wird, und er ist nicht gekommen.’
Elija sagte: ‚Du hast nicht gut hingehört. Er hat dir doch
den Psalm 95 zitiert: Heute — wenn ihr
nur auf seine Stimme hört!’
Hermann-Josef Venetz
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