Gerade zweimal werden im Lukasevangelium
unverschämte Leute als Beispiele hingestellt. Das eine Mal ist es ein Mann, der
mitten in der Nacht seinen Freund weckte, um von ihm ein Brot zu borgen. Gewiss
hätte der Aufgeweckte den Störefried am liebsten ins Pfefferland gewünscht. Er
stand dann aber doch auf und gab ihm, was er brauchte. Nicht wegen der
Freundschaft, die er empfand, sondern wegen der Unverschämtheit, mit der ihn dieser mitten in der Nacht aufweckte
(Lukas 11,5-8).
Das andere Mal handelt es sich um eine Witwe, die
sich von den Gläubigern ihres verstorbenen Mannes bedrängt sah. Sie suchte
einen Richter auf, damit er ihr helfe. Der Richter, ein recht kaltblütiger
Bursche, schickte die Frau weg. Sie kam aber wieder und wieder, bis es dem
Richter zuviel wurde. Zwar kümmerte er sich nicht um sein Ansehen und fürchtete
weder Gott noch den Teufel. Aber die Unverschämtheit
dieser Frau liess ihn schliesslich doch dazu bewegen, ihre Sache an die Hand zu
nehmen (Lukas 18,1-8).
Jesus ist der Überzeugung: Wenn das, was wir von
Gott erbitten, in Übereinstimmung ist mit dem, wofür sich dieser Gott selbst
mit seiner ganzen liebenden Leidenschaftlichkeit einsetzt – für die Armen und
Hilfsbedürftigen, für die Abgeschobenen und Entrechteten –, dann dürfen wir
auch unsere eigene Leidenschaftlichkeit, ja sogar unsere Unverschämtheit in die Waagschale werfen. In spiel bringen
riskieren....
Hermann-Josef Venetz
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