Gottes schlechter Ruf
Bereits wenn wir das Wort »Gott«
hören, ziehen wir den Kopf ein. Mit »Gott« bringen wir sogleich
die »Gebote« in Zusammenhang, die wir eben nicht immer halten. Und
so plagt uns das schlechte Gewissen. Kommt dazu, dass er uns
vorwurfsvoll den Gekreuzigten vor Augen führt, der »für unsere
Sünden gestorben« ist. Und wenn er dann noch mit der »Hölle«
droht, ist es endgültig aus.
Noch etwas anders ist dem guten Ruf
Gottes abträglich. Wenn er »allmächtig« ist, wie wir sagen, muss
er doch auch verantwortlich gemacht werden für all das Böse, das in
dieser Welt geschieht. Nicht dass er alles Böse verursacht, aber er
verhindert es auch nicht – trotz seiner Allmacht. Zugegeben, manch
Schlimmes, das geschieht, müssen wir oder »die Menschen« auf die
eigene Kappe nehmen – ich denke an Kriege, an Hungersnöte,
Flüchtlingsströme... Aber musste denn Gott die Menschen so
erschaffen, dass sie sich gegenseitig bestehlen, bekriegen und
umbringen?
Man soll jetzt nicht mit der »Freiheit«
kommen. Gehört denn zur Freiheit, dass die Menschen übereinander
herfallen? Gut, wir haben die Freiheit, es nicht zu tun. Aber haben
wir diese Freiheit wirklich?
Wir können es drehen und wenden wie wir
wollen: Am Schluss hat doch immer wieder Gott den Schwarzen Peter in
der Hand; er ist der Allmächtige, also trägt er letztlich auch die
Verantwortung – es sei denn, er sei verantwortungslos. Aber wer
will es schon mit einem verantwortungslosen Gott zu tun bekommen?
In solche Sackgassen müssen unsere
Überlegungen führen, wenn wir über Gott reden wie über die
Bundespräsidentin oder über die letzte Sonnenfinsternis oder über
die Finanzkrise.
Gott ist nicht ein Objekt, über das wir
nach unseren eigenen Vorstellungen reden oder verfügen können, und
wir sind auch für Gott nicht Objekte, über die er so oder anders
walten kann, einmal belohnend, einmal strafend. Diesen Gott können
und sollen wir vergessen. Zum einen, weil wir ohne ihn besser fahren,
zum anderen, weil es ihn nicht gibt.
Der Gott, an den wir glauben, ist nicht
der, der uns aus Distanz kritisch beobachtet, sondern der oder die,
die uns in jedem Augenblick näher ist als wir es uns selber sind. Es
ist der Gott, dessen Name Zuneigung ist. Von dieser Zuneigung
heisst es in der Bibel u.a. (1. Korinther 13):
sie ist
langmütig und gütig... sie trägt das Böse nicht nach, sie erträgt
alles und hält allem stand...
Sie hört
niemals auf.
So ist Gott: der bedingungslos Liebende.
Sie hält Ausschau nach Mit-Liebenden. Wenigstens das sollten wir ihm
nicht zum Vorwurf machen.
Hermann-Josef Venetz
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