Nur ein Kind
Segundo
Domingo de Mayo
Der
Evangelist Lukas erzählt in seinem Evangelium, ein Engel Gottes sei
Hirten auf dem Felde erschienen und habe ihnen als grosse Freude
mitgeteilt, in der Stadt Davids sei der Retter geboren, der
Messias und Herr. Ungefragt habe der Engel ihnen auch
ein Zeichen gegeben, woran sie diesen Retter und Herrn erkennen
können: nicht ein besonderes Licht oder sonst irgendetwas
Faszinierendes. Das Zeichen war dieses: ein Kind, in Windeln
gewickelt und in einem Futtertrog liegend (Lukas 2,12). Das
heisst, ein schwaches Geschöpf, ein Kind eben, in Windeln gewickelt,
wie es solche Tausende gab. Der einzige Unterschied bestand darin,
dass das Kind, um das es ging, in einem Futtertrog lag. Ob das aber
angesichts der damals schon grassierenden und heute für viele zum
Alltag gehörenden Obdach- und Heimatlosigkeit etwas Besonderes war?
Gewiss
ist ein Kind, besonders ein neugeborenes, auch immer Zeichen eines
Neuanfangs, Zeichen einer neuen Zukunft, einer neuen Hoffnung. Doch
ist nicht zu vergessen, dass Kinder auch in der damaligen Zeit
keineswegs immer willkommen waren. Bei Geschichtsschreibern und
Poeten wurden sie im gleichen Atemzug mit den Sklaven und Frauen
aufgezählt: ‚Frauen, Kinder, Sklaven’, so war die Reihenfolge
der am untersten Rand der Gesellschaft angesiedelten Menschen.
Rettung
und Zukunft wird es auch 2000 Jahre danach nur geben, wenn Menschen
auf dieses Zeichen achten. Überleben werden wir, die Gutsituierten,
nur dann, wenn wir solidarisch werden mit dem Kind im Futtertrog,
d.h. aber auch mit den Obdach- und Heimatlosen, mit den Hungernden
und Ausgegrenzten.
Hermann-Josef
Venetz
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