Was
uns Menschen in unserer Beziehung zu Gott und zu Weihnachten zu
schaffen macht, ist die Tatsache, dass Gott Mensch geworden ist. Wenn
Gott einfach ‚Gott’ geblieben wäre, wüssten wir, woran wir
sind. Dann hätten wir klare Verhältnisse: hier der Mensch – dort
‚Gott’. Diesen ‚Gott’ sind wir durchaus bereit zu verehren,
zu ihm zu beten; wir sind bereit, ihm Tempel, Kirchen und Altäre zu
bauen und seine Priester zu besolden. Er darf durchaus etwas kosten,
dieser ‚Gott’. Bedingung ist freilich diese: dass ‚Gott’
berechenbar bleibt, dass Distanz gewahrt wird, dass wir von
unliebsamen Überraschungen verschont bleiben, dass dieser ‚Gott’
sich nicht unversehens in unsere Geschäfte einmischt, sondern dass
wir eine ganz klare Trennung haben zwischen Religion und Politik,
zwischen Sonntag und Werktag, zwischen Glauben und Geschäft,
zwischen gut und bös...
Mit
der Menschwerdung hat ‚Gott’ die klare, von uns Menschen gezogene
Grenze überschritten; und das Überschreiten klarer Grenzen erzeugt
Bedrohung und Angst. Was uns verunsichert, ist nicht ‚Gott’,
sondern der Mensch, genauer gesagt der Mensch, mit dem sich dieser
Gott identifiziert: der Arme, die Ausgebeutete, der Ohnmächtige, der
Flüchtling. Um uns von diesem menschgewordenen, machtlos gewordenen
Gott zu schützen, sind uns alle, selbst religiöse Mittel recht,
sind wir bereit, selbst Weihnachten, das Fest der Menschwerdung
Gottes zu pervertieren.
Der
Glaube an die Menschwerdung Gottes ruft nach einer ganz entschiedenen
und bedingungslosen Parteinahme für die Schwachen, die Armen, die
Zukurzgekommenen, die Verfolgten und Gekreuzigten.
Der
Glaube an die Menschwerdung Gottes befreit uns dazu, an die
Menschwerdung des Menschen – an unsere eigene Menschwerdung –zu
glauben.
Hermann-Josef
Venetz
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