Es
ist immer wieder lohnenswert, zum Buch Jona
zu greifen. Dieses Buch steht in unserer hebräischen Bibel, dem so
genannten Alten Testament. Im Unterschied zu anderen Prophetenbüchern
handelt es sich aber nicht um eine Sammlung von Prophetenworten,
sondern um eine Erzählung über das Schicksal des Propheten Jona.
Dieser sollte den Bewohnern der berühmt-berüchtigten Stadt Ninive
eine Strafpredigt halten und sie zur Umkehr bewegen. Jona tut das
dann auch, indem er der Stadt und den Menschen kurzerhand den
Untergang androht:
Noch
40 Tage, und Ninive wird zerstört werden!
Und
alle, vom König bis zum Vieh, tun in Sack und Asche Busse. Die
Erzählung hält dann fest:
Als
Gott sah, was sie taten, dass sie von ihrem bösen Tun sich
abkehrten, da reute ihn das Böse, das er ihnen zu tun angedroht
hatte, und er tat es nicht (Jona 3).
Jetzt
sieht sich Jona von Gott betrogen und wird wütend und zornig, weil
er nicht das eintreten lässt, was er durch den Propheten ankünden
liess. Gott versucht zwar noch, ihm gut zuzureden, ja er schickt ihm
sogar eine Staude, die ihm Schatten geben und ihn von seinem Unmut
befreien soll. Als dann aber am folgenden Morgen die glühende Sonne
aufgeht und ein Wurm der Staude den Garaus macht, geht es auch mit
Jona zu Ende: Mit Recht bin ich erzürnt und möchte sterben, sagt
er.
Man
braucht nicht lange im Buch zu lesen um festzustellen, dass
es
sich bei Jona nicht um eine historische Gestalt, sondern vielmehr um
die Karikatur eines Propheten geht. Das Buch ist voller Tiefsinn
verbunden mit Charme und Schalk. Es endet auch nicht mit einem happy
end, auch nicht in einer Tragödie, sondern mit einer Frage.
Spätestens bei der Frage am Schluss des Buches stellen wir fest,
dass der widerspenstige Jona weniger die Züge eines Propheten als
unsere eigenen Züge trägt:
Dir
ist es leid um den Strauch, für den du nicht gearbeitet und den du
nicht großgezogen hast. Über Nacht war er da, über Nacht ist er
eingegangen. Mir aber sollte es nicht leid sein um Ninive, die große
Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die
nicht einmal rechts und links unterscheiden können – und außerdem
so viel Vieh? (Jona 4)
So
endet das Buch. Ninive? Ninive ist überall. Jona? An seiner Stelle
stehen jetzt wir. An seiner Stelle haben wir auf die Frage Gottes
eine Antwort zu geben. Wie Jona sind auch wir unwillig, wenn Gott
sich derer erbarmt, von denen wir meinen, dass sie es nicht
verdienen. Wie Jona müssen auch wir lernen, dass Gott ein Gott des
Erbarmens ist und dass ihn das Böse reuen kann, das er den Menschen
androht. Und mit Jona zusammen müssen auch wir die Lektion lernen,
dass der Ewige sich in seine Pläne nicht dreinreden lässt.
Hermann-Josef
Venetz
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