Andere
Massstäbe
Gedanken
zum Advent
Saul,
der erste König von Israel, ist gescheitert. Er folgte seinen
eigenen Machtgelüsten und tat nur das, was ihn selber
vorwärtsbrachte – ohne Rücksicht auf das Volk und auch ohne
Rücksicht auf die Weisungen Gottes. So schickte denn Gott seinen
Propheten Samuel nach Bethlehem – einen ziemlich unbedeutenden Ort
– um dort einen der Söhne Isais zum König salben. Samuel machte
sich auf ohne zu wissen, wer von den Söhnen es sein sollte (vgl. 1
Samuel 16,1-13).
Im
Auftrag Gottes lud er das ganze Dorf zum Opfer und zum
anschliessenden Fest-Mahl ein. Besondere Gäste waren natürlich die
Mitglieder der Sippe Isais. Dieser kam mit seinen erwachsenen Söhnen
und stellte sie dem Propheten vor. Einer stattlicher und
imponierender als der andere, und bei jedem dachte sich Samuel: Das
muss er sein! Und jedes Mal sagte ihm Gott: Nicht den habe ich
erwählt!
Samuel
erging es wie allen Menschen, wenn sie an einen König denken: Er
muss gross und stattlich und mächtig sein, er muss imponieren und
sich durchsetzen können. Sozialkompetenz ist gefragt, so nennt man
das heute. Für Samuel wäre eigentlich jeder der sieben Söhne in
Frage gekommen, aber bei jedem musste er von Gott das gleiche hören:
Nicht der ist’s, den ich meine.
Samuel
war ratlos, ist er doch geschickt worden, einer der Söhne Isais zum
König zu salben. Darum fragte er Isai: Sind das alle deine Söhne?
Der antwortete: Ja… schon…, das heisst der Jüngste, David,
fehlt; der hütet gerade die Schafe. Samuel sagte zu Isai: Lass ihn
holen; wir wollen uns nicht zum Mahl hinsetzen, bevor er da ist.
Isai
schickte also jemand hin und ließ ihn kommen. Kaum stiess David zur
Runde, sagte die Stimme zu Samuel: Auf, salbe ihn! Er ist es.
Offensichtlich
steht Gott auf der Seite derer, die für die Menschen gar nicht
zählen, auf der Seite derer, die schnell in Vergessenheit geraten,
weil sie zu jung, zu unscheinbar, zu unbedeutend sind. Wir schauen
auf das Imponierende, auf das Tüchtige und Mächtige. Bei Gott ist
es nicht so.
Die
vorweihnachtliche Zeit kündet sich bereits an: Die Hirten sollen den
Neugeborenen, den Messias, nicht in einem übermächtigen Potentaten
suchen, sondern in einem obdachlosen Kind, das in einem Futtertrog
liegt. Der Gott, von dem wir reden: Er lässt sich nicht finden, es
sei denn, wir beugen uns und suchen ihn im Kleinen und Geringen und
Verachteten.
Das
muss gelernt sein. Die Zeit dafür ist da.
Hermann-Josef
Venetz
Aucun commentaire:
Enregistrer un commentaire