Neulich
las ich irgendwo diesen überraschenden Satz:
Stilvoll
leben heisst, verzeihen können:
den
Mitmenschen,
sich
selber,
Gott.
Klingt
beim ersten Hören gut. Und doch...
Beim
Wort ‚verzeihen’ denken wir daran, wie sehr wir selber Verzeihung
nötig haben und Gott und einander immer wieder um Verzeihung bitten
müssen. Von Gott wissen wir, dass er sich in der Bibel wiederholt
vorstellt als der grosse Verzeihende, „gnädig, barmherzig,
langmütig, voll Huld und Treue“ (vgl. Ex 34,6-7).
Nach
dem oben zitierten überraschenden Satz gehört zum stilvollen Leben
auch die Kunst, sich selbst zu verzeihen. Ob das unter Umständen
nicht noch schwieriger ist? Es geht dabei nicht um Bagatellen, durch
die wir uns vor anderen blamierten und auch nicht darum, dass wir
enttäuscht sind, wenn wir den Erwartungen, die wir gegenüber uns
selbst haben, nicht gerecht werden. Entscheidend ist, dass wir zu den
eigenen Fehlern und zum eigenen sündhaften Ich stehen. Es geht um
ein echtes Barmherzigsein uns selbst gegenüber: dass wir uns so
annehmen, wie wir sind und dass wir uns selbst die Chance einräumen,
von neuem zu beginnen. Dass wir mit uns so umgehen, wie Gott mit uns
umgeht: „gnädig, barmherzig, langmütig, voll Huld und Treue“.
Aber
ist es möglich oder sinnvoll oder überhaupt denkbar, dass wir Gott
verzeihen? Es ist doch so, dass wir oft und oft, zu Recht oder zu
Unrecht, ausgesprochen oder unausgesprochen für die ganze Misere in
der Welt Gott verantwortlich machen und ihn als den Schuldigen
hinstellen. Für die Erdbeben, die Hungersnöte, das schreckliche
Leiden so vieler Menschen muss doch jemand die Verantwortung
übernehmen. Und wer sollte es denn sein, wenn nicht Gott? Menschen
sind zu so viel Ungerechtigkeit und so viel Zerstörung gar nicht
fähig – so meinen wir.
Vielleicht
sind diese Gedanken völlig abwegig wie so vieles abwegig ist, was
wir über Gott denken. Aber spielen wir doch mal diesen Gedanken
durch: Gott verzeihen. Hiesse das dann nicht, dass wir ihn trotz
aller ‚Fehler’ und ‚Schwächen’ so annehmen, wie er ist; dass
wir ihm die Chance einräumen, immer wieder von neuem zu beginnen;
dass wir mit ihm so umgehen, wie er mit uns umgeht: „gnädig,
barmherzig, langmütig, voll Huld und Treue“?
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