samedi 18 janvier 2014

Der andere Friede


Als der Evangelist Lukas sein Evangelium niederschrieb, aus dem wir in diesen Tagen die Weihnachtsgeschichte lesen, dachte er nicht an unseren Heiligen Abend mit der Bescherung im trauten Familienkreis, nicht an Krippe und Christbaum und erst recht nicht an Lametta und Wunderkerzen. Die so genannte Weihnachtsgeschichte ist etwas vom Mutigsten und Gewagtesten, das je aufgeschrieben wurde.

Die Pax Romana
Die Zeit, in der Lukas schrieb, war die Zeit der römischen Kaiser. Im Weihnachtsevangelium wird Augustus namentlich genannt. Ihm folgten Tiberius, Caligula, Claudius, Nero usw. Namhafte Geschichtsschreiber nannten diese Zeit der Kaiser die glücklichsten Jahre Roms. In der Tat stand das Römische Reich damals in unvergleichlichem Glanz. Die Leute hatten alle zu essen. Wer tüchtig war, konnte arbeiten und vorwärtskommen. Schulen sorgten für eine gute Ausbildung. Neue Städte sprossen aus dem Boden, Fabriken wurden gebaut, Banken und Einkaufsläden blühten. Die starke Armee war überall einsatzbereit und gliederte immer wieder neue Länder und neue Völker dem Römischen Imperium ein. 

 Und über allem und allen der Kaiser in Rom, das Symbol der Einheit und des Friedens. Zur Zeit des Lukas nannte man ihn: Herr und Retter und Erhabener und Gott. Damit war nicht nur die Person des Kaisers gemeint; das ganze System, der Staat mit allem, was er unter Kontrolle hielt, hatte göttlichen Glanz, und wer sich diesem System widersetzte, widersetzte sich Gott selbst.

Für den einzelnen Bürger bedeutete das, dass er sich anpassen musste, wenn er überleben wollte. Er richtete sich nach Slogens, die ungefähr so lauteten:
- Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
- Jeder ist sich selbst der Nächste.
- Wer zahlt, befiehlt.
- Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.
- Das Recht steht auf der Seite des Stärkeren.
- Wer den Frieden will, muss sich auf den Krieg vorbereiten.

Für dieses ‚Reich’ fand man den wunderbaren Namen Pax Romana. Es war der Friede und die Ordnung der Starken und Reichen und Mächtigen. Und wer sich diesem Frieden und dieser Ordnung nicht unterwerfen wollte, wurde als Vaterlandsverräter und als Atheist eingekerkert und sogar hingerichtet.

Das subversive Evangelium

Auf dem Hintergrund des Römischen Friedens hört sich das Weihnachtsevangelium des Lukas äusserst mutig, ja sogar subversiv an. Dem Römischen Frieden stellt das Weihnachtsevangelium einen ganz anderen Frieden gegenüber:

- Es ist nicht der Friede militärischer Macht, sondern der Friede der ohnmächtigen Liebe.
- Es ist nicht der Friede wirtschaftlicher Unterdrückung, sondern der Friede der Partnerschaft.
- Es ist nicht der Friede des Reichtums und des Luxus, sondern der Friede der Solidarität und des Teilens.
- Es ist nicht der Friede der Überlegenheit, sondern der Friede der Gerechtigkeit.
- Es ist nicht der Friede des Befehls und des blinden Gehorsams, sondern der Friede des Gesprächs.
- Und nicht der Kaiser in Rom ist der Retter und Herr, sondern...

Die Weihnachtsbotschaft war in der damaligen Zeit eine sehr gefährliche Botschaft. Es erstaunt darum nicht, dass der Träger dieser Botschaft, Jesus von Nazaret, als Unruhestifter hingerichtet wurde und dass seine Jüngerinnen und Jünger verfolgt wurden.

Christusgläubige werden sich heute die Frage stellen müssen, auf welcher Seite sie denn stehen und auf welchen Frieden sie denn setzen: auf den Frieden der Macht und des Reichtums oder auf den Frieden, der Gerechtigkeit für alle bedeutet. Christusgläubige werden sich die Frage gefallen lassen müssen, ob sie ihr Leben vom Mammon und von der Karriere bestimmen lassen oder vom Erbarmen Gottes, von der Ohnmacht der Liebe.

Weihnachten bedeutet nämlich dieses: Nicht Reichtum und Wirtschaftswachstum um jeden Preis und auch nicht die Armee werden den Frieden sichern, sondern das Teilen, das Eintreten für die Armen und Entrechteten und das gegenseitige Vertrauen.
Hermann-Josef Venetz

samedi 11 janvier 2014

Fingerzeige Gottes?


 Wenn uns etwas zustösst, fragen wir uns oft, was für eine Lektion uns Gott erteilen, was für einen Fingerzeig er uns geben will. Es gibt Menschen, die  gar schnell bereit sind, in allem einen Fingerzeig Gottes sehen. 
 
- Jemand, der mir nahe steht, ist gestorben. – Der Fingerzeig Gottes: Du hättest mehr nach ihm sehen sollen. 
 
- Heute war ich den ganzen Tag schlecht gelaunt. – Die Lektion, die Gott mir gibt: Gewöhne dich, abends früher schlafen zu gehen.

- Ein Kollege ist mit einem Herzinfarkt ins Spital eingeliefert worden. – Ein Fingerzeig Gottes: So geht es, wenn man seine Grenzen nicht anerkennen will. 
 
- Der abendliche Spaziergang im Wald hat mir gut getan. – Die Lektion Gottes: Erlaube dir öfters solche Spaziergänge
 
- Heute hätte ich mit meinem Wagen um ein Haar einen bösen Unfall gebaut.

  – Der Hinweis Gottes: Musst du denn für alles den Wagen benutzen?

Der Beispiele gibt es mehr. Nur: Sind das alles Fingerzeige oder Hinweise Gottes? Sehen wir zu.

Es sind doch samt und sonders Hinweise, auf die ich selber auch kommen könnte. Sie sagen nichts, was mir nicht schon längst bekannt wäre. Das heisst: Ich projiziere die ‚Lektionen’, die ich mir selber gebe, in Gott hinein und lasse mir durch ihn meine eigenen Lektionen geben.

Wenn ich weiter diese ‚Lektionen’ näher betrachte, stelle ich fest, dass sie durchwegs moralisierender Art sind. Das bedeutet aber auch: Dadurch dass ich diese Fingerzeige in Gott hineinprojiziere mache ich aus ihm einen Moralapostel, der mich mit erhobenem Zeigefinger jeweils an das erinnert, auf das ich schon lange selbst gekommen bin:
 
- Ich sollte den Leuten mehr nachfragen, 
 
- ich sollte zu meiner Gesundheit mehr Sorge tragen,  

- ich sollte nicht für jede Ortsveränderung den Wagen benutzen… 
 
 Rodin
Erteilt uns Gott also keine Lektionen bei all dem, was uns zustösst? Sagen wir mal so: nicht in dem Sinn, wie ich es eben getan habe. Und sicher erhebt er nicht dauernd den drohenden Zeigefinger. Bei allem, was uns zustösst, sei es an Positivem, sei es an Negativem, will Gott uns sagen: 
 
Ich bin bei dir, ich bin mit euch. Das ist seit jeher mein Name: Ich bin der Ich-bin-da.
Gott erteilt keine Lektionen; bei allem, bei wirklich allem, was mir zustösst, bringt sich Gott bei mir in Erinnerung: 
 
Ich will, dass du bist und dass du du bist; ich geh mit dir.

Hermann-Josef Venetz

samedi 4 janvier 2014

Gott als Sklave

In jüdischen Bibelkommentaren wird zur Bestätigung der Aussagen, die der Verfasser macht, jeweils eine Stelle aus der Bibel selbst gesucht. 
 
In einem dieser Kommentare wird Gott mit einem Menschen verglichen, der sich einen Sklaven kauft. So erwarb sich Gott das Volk Israel, denn – so heisst  es in Levitikus 25,55 – mir gehören die Kinder Israels als Sklaven. Aber statt dass sie für Gott Sklavendienste verrichten, tut es Gott für sie. Das wird an mehreren Beispielen aufgezeigt.
 
- Bei den Menschen ist es so, dass der Sklave seinem Herrn die Füsse wäscht; aber bei Gott verhält es sich nicht so; im Buch Ezechiel (16,9) sagt Gott zu seinem Volk: Und ich habe dich mit Wasser gewaschen
 
- Bei den Menschen ist es so, dass der Sklave seinen Herrn ankleidet; aber bei Gott verhält es sich ganz anders; im Buch Ezechiel (16,10) sagt Gott zu seinem Volk: Und ich habe dich mit buntgewirktem Stoff bekleidet
 
- Bei den Menschen ist es so, dass der Sklave seinem Herrn die Schuhe anzieht; aber bei Gott verhält es sich nicht so; im Buch Ezechiel (16,10) sagt nämlich Gott zu seinem Volk: Und ich habe dir Schuhe aus weichem Leder angezogen
 
- Bei den Menschen ist es so, dass der Sklave seinen Herrn trägt; aber bei Gott verhält es sich gerade umgekehrt; im Buch Exodus (19,4) sagt nämlich Gott zu seinem Volk: Und ich habe euch auf Adlerflügel getragen
 
- Bei den Menschen ist es so, dass der Herr schläft und der Sklave bei ihm wacht; aber bei Gott verhält es sich anders herum; Psalm 121,4 sagt nämlich: Nicht schlummert noch schläft der Wächter Israels.


Sollten wir unser Verhältnis zu Gott nicht einmal neu überdenken?
Hermann-Josef Venetz

samedi 28 décembre 2013

An der Krippe



In Familien – so sagt man – wird das ganze Jahr hindurch nie so laut und so heftig gestritten wie am Heiligen Abend. Zum Teil glaube ich das. Gerade wenn wir es ganz besonders gut machen und ganz besonders nett sein wollen, gelingt es uns am wenigsten.
Die Gestalten an der Krippe – so meinen wir wenigstens – helfen uns kaum über unser Malaise hinweg. Das Christkind, Maria und Josef: sie sind einfach eine Schuhnummer zu gross für uns; und mit so grossen Gestalten messen wollen wir uns lieber nicht. Auch diejenigen, die von aussen hinzukommen, taugen kaum als Vorbilder: die Engel, die Hirten, später dann die heiligen drei Könige in ihrer Feierlichkeit. In unserer Hilflosigkeit fragen wir uns: Gibt es denn niemand, der uns an der Krippe vertritt? niemand, mit dem wir uns identifizieren können? niemand, der in einer ähnlich störrischen Haltung ist wie wir?
Doch, es gibt sie, unsere Vertreter an der Krippe. In der biblischen Weihnachtsgeschichte werden sie war nicht erwähnt, aber sie fehlen bei keiner Krippe und bei keinem Krippenspiel: der Ochs und der Esel. Ich denke mir: Wenn die beiden da sind, hab auch ich noch Platz. Neben ihnen komme ich mir weniger verloren vor als neben den Engeln und neben Josef und Maria. Beim Ochsen und beim Esel falle ich auch nicht so auf. Da kann ich wie sie schweigen und glotzen, und niemand erwartet von mir, dass ich gescheite und fromme Dinge daher sage. Ich brauche nur da zu sein; mehr braucht es nicht.
Wie Ochs und Esel zur Krippe gefunden haben? Als vor vielen hundert Jahren eifrige Christinnen und Christen die Weihnachtsbotschaft hörten, erinnerten sie sich bei der Erwähnung der Krippe an den Propheten Jesaja. Er eröffnet seine prophetische Botschaft mit dem Bild der Krippe.
Himmel und Erde sollen hören, was Gott sagt:
»Ich habe Kinder aufgezogen; und jetzt, wo sie erwachsen sind, wollen sie nichts mehr von mir wissen.
Jeder Ochs kennt seinen Besitzer und jeder Esel die Futterkrippe seines Herrn;
mein Volk aber nimmt keine Vernunft an.« (Jesaja 1,2-3)

So deutlich und natürlich kann nur ein Prophet sprechen – oder der liebe Gott. Und ich nehme mir das so zu Herzen: Ich bin es, der noch dümmer ist als der Ochs und der Esel, noch störrischer, noch glotzender, noch blöder. Ich bin es, der trotz meines Erwachsenseins keine Vernunft annehmen will. Ich bin es, der nicht begreifen will, zu wem ich eigentlich gehöre.
Wenn ich bei einer Krippe den Ochs und den Esel stehen sehe, ist das für mich eine Gute Nachricht: wenn der Ochs und der Esel zur Krippe zurück finden, dann sollte das doch auch mir möglich sein. Ich brauche kein Engel zu sein, kein Hirte, kein heiliger Joseph und auch kein Weiser. Ich bin zwar immer noch glotzend und blöd und angeschlagen, aber ich bin da; und ich kann es mir wieder mal sagen lassen, zu wem ich gehöre. Und als Weihnachtsbotschaft höre ich das Kind ungefähr dieses sagen:
Du bist zwar ein störrischer Esel und ein dummer Ochse. Aber im Grunde genommen gehörst du eben doch zu mir. Und ich, ich will trotz allem dein, ja euer aller Gott sein und euch dazu bestimmen, Frieden und Gerechtigkeit und Freude der ganzen Welt sichtbar zu machen.
Hermann-Josef Venetz

samedi 21 décembre 2013

Auf Zeichen achten


 maximino cerezo barredo 

Die Hirten halten Nachtwache auf offenem Felde. Der Bote des Ewigen tritt zu ihnen und der Lichtglanz Gottes umstrahlt sie (vgl. Lukas 2,1-20). Der Bote verkündet eine grosse Freude: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren, der Messias und Herr
 
Was sollen Hirten, in der damaligen Zeit nicht besonders vertrauenswürdige Gestalten, mit einer solchen Botschaft anfangen? Der Bote lässt sich ob ihres Staunens nicht irritieren. Er will, dass sie sich aufmachen und gibt ihnen ein Zeichen, woran sie den Messias und Retter, den Langersehnten, erkennen können: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
 
Das Licht, das sie eben noch umstrahlte, die himmlische Liturgie, in die sie hineingenommen wurden, werden sie verlassen müssen, um das zu entdecken, worum es geht: ein Kind, das in Windeln gewickelt in einem Futtertrog liegt, weil in der Herberge kein Platz war. Ein obdachloses Kind also. 
 
Dieses obdachlose Kind als Zeichen für das Kommen Gottes steht nicht für sich allein; es steht für alle Menschen, mit denen sich Jesus solidarisieren wird: es steht für den Mann mit der gelähmten Hand, für die gekrümmte Frau, für den blinden Bartimäus, für die Ehebrecherin, die nicht gesteinigt werden soll, für den Aussätzigen, der nicht abseits stehen darf. 
 
Das Licht von Weihnachten, die Botschaft der Engel, die Liturgie, wie wir sie feiern: all das brauchen wir um zu lernen, auf die Zeichen zu achten, auf die es ankommt. Zeichen, die uns jeden Tag begegnen, wenn wir sie nur wahrnehmen: obdachlose Familien, Flüchtlinge, Kranke, Arbeitslose... Menschen, die in der Gesellschaft nicht zählen…

Das Achten auf das obdachlose Kind könnte Chance eines Neuanfangs sein: Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen und für alle Zukunft.

Hermann-Josef Venetz


samedi 7 décembre 2013

Gottes Klage im Advent

 

Es wird erzählt:

Rabbi Baruchs Enkel, der Junge Jechiel, spielte einst mit einem anderen Jungen Versteckis. Er verbarg sich gut und wartete, dass ihn sein Gefährte suche. Als er lange gewartet hatte, kam er aus dem Versteck hervor; aber der andere war nirgends zu sehen. Nun merkte Jechiel, dass jener ihn von Anfang an nicht gesucht hatte. Darüber war Jechiel sehr traurig. Weinend kam er in die Stube seines Grossvaters gelaufen und beklagte sich über den bösen Spielgenossen. Da flossen Rabbi Baruch die Augen über, und er sagte: So spricht auch Gott: ‚Ich verberge mich, aber keiner will mich suchen’.
Die Adventszeit zeigt es wieder einmal mehr: Wir sind Spielverderber. Statt uns auf die Suche zu machen, rennen wir davon. Aufgeregt und angespannt durchblättern wir die Versandkataloge, durchstöbern wir die Kaufhäuser, vergleichen wir die Preise und geben Bestellungen auf. Gefesselt von unserer Hektik vergessen wir das ‚Spiel’, das, worum es eigentlich geht. Eine tiefe Trauer liegt über unserer Adventszeit, die Klage Gottes: ‚Keiner will mich suchen.’

Was es zu finden gäbe? Gewiss mit Stereo-Anlagen, elektrischen Eisenbahnen, Pelzmänteln und Reisen in die Karibik kann es nicht konkurrieren. Ein Kind, in Windeln gewickelt, in einem Futtertrog liegend, schwach, sprachlos, unbeachtet. Es gibt weltweit täglich Zehntausende, die schlimmer dran sind. Sie müssen sterben, weil wir das "Spiel" nicht mitmachen wollen. Wir haben Gescheiteres zu tun, als uns um Bagatellen zu kümmern.
Bagatellen

? Zur Bagatelle ist ER in der Tat geworden, mehr noch: zum letzten Dreck. Ein Sklave, der den Sklaventod stirbt. Kein Anblick, dass wir sein begehrten, wie der Prophet sagt (Jes 53,2). Wiederzuerkennen in den Millionen Gefolterter und Hungernder.

Wir werden munter Adventslieder singen und Weihnachten feiern; so können wir Gottes Klage geschickt übertönen: „Ich verberge mich, aber keiner will mich suchen.“

Hermann-Josef Venetz

dimanche 1 décembre 2013

Die Richtung ist angegeben


 Ist der Messias nun eigentlich gekommen oder nicht? Oder kommt er
 an Weihnachten immer wieder neu?

 Für Christinnen und Christen scheint das klar zu sein: Für sie ist der Messias bereits gekommen. In Jesus Christus sind alle Verheissungen des Alten Testaments in Erfüllung gegangen. Dementsprechend blicken sie an Weihnachten feiernd auf seine Geburt zurück und singen Christ der Retter ist da. Freilich – spätestens nachdem die Festtage verrauscht sind, stellt sich die sehr bedrängende Frage: Wenn der Retter da ist, wenn der Erlöser bereits gekommen ist, warum gibt es denn 2000 Jahre danach noch so viel Unerlöstes?
Vom Neuen Testament her gesehen ist Weihnachten ein spätes Fest. Als die ersten Christinnen und Christen zusammenkamen, feierten sie nicht Weihnachten; sie verkündeten den Tod Jesu, sie priesen seine Auferstehung und gaben ihrer grossen Sehnsucht Ausdruck: Maranatha d.h. Komm, Herr Jesus, und sie munterten einander mit dem Ruf an: Unser Messias kommt.
Diese Dimension sollten wir nie aus den Augen verlieren. Das Besondere der Christinnen und Christen ist nicht das, dass sie glauben, der Messias sei bereits gekommen, sondern dass sie glauben, dass Jesus der Messias ist, Jesus von Nazaret, der vor bald 2000 Jahren das Kommen des Ewigen verkündete, der gekreuzigt wurde und zu dem sich Gott bekannte, indem er ihn nicht im Tod beliess, sondern von den Toten auferweckte. Jesu Auferweckung ist gewissermassen der Beginn seines Kommens.

Wenn wir schon vom Besonderen der Christinnen und Christen reden: Sie stehen in der eigentümlichen Spannung zwischen dem Schon und dem Noch nicht. Sie blicken zurück auf Jesus von Nazaret, erzählen sein Leben, seine Gleichnisse, erzählen von seinen Wundertaten, von seiner Ablehnung, von seinem Leiden und Sterben, verkünden seine Auferstehung; gleichzeitig aber strecken sie sich nach seinem Kommen aus: Der Messias, der kommen wird, wird kein anderer sein als Jesus von Nazaret. Und darum wird Jesus von Nazaret auch bis ans Ende der Zeiten der Mass-Gebende sein für alle, die an ihn glauben. Er hat die Richtung angegeben; wir haben in diese Richtung zu gehen und können gewiss sein, dass er uns begegnen wird. So lautete übrigens die Osterbotschaft, die die Frauen den Jüngern und dem Petrus weitergeben sollten: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. (Markus 16,7)
Hermann-Josef Venetz